Schwarzes Schaf
Das von ihm inspizierte Unternehmen CallOn sei kein schwarzes Schaf, jedenfalls nicht nach dem 'Ehrenkodex' der Branche, den das Call Center Forum Deutschland, einer der beiden Lobbyverbände, 2006 festgeschrieben hat. Der Text zitiere zwar das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, eine Kritik am 'Cold Call', dem Anruf ohne vorherige Einwilligung, sucht der Leser jedoch vergebens. "Nach meinem zehnstündigen Probetag bei CallOn wird mir einige Tage später mitgeteilt, dass man 'trotz meiner Qualifikation aufgrund der Vielzahl der eingegangenen Bewerbungen' eine Festanstellung nicht anbieten könne", formuliert Wallraff und erntet bei Branchenexperten harten Widerspruch: "Wallraff sind eklatante Missgeschicke bei der Recherche unterlaufen. Die Relation von Inbound und Outbound ist schlichtweg falsch und den Ehrenkodex Telefonmarketing hätte Wallraff auch genauer lesen müssen. Eine aktuelle Studie der Firma Aspect hat gerade im Frühjahr dieses Jahres aktuelle Zahlen ermittelt. Der Anteil der Outbound-Aktivitäten lag 2005 lediglich bei 23 Prozent und ist in diesem Jahr auf gut 28 Prozent gestiegen. Noch nicht einmal ein Drittel der täglich 20 Mio. Kundenkontakte in Call Centern erfolgen im Outbound und auch davon nur ein Teil rein verkaufsorientiert", kontert Call-Center-Forum-Präsident Manfred Stockmann.
Kodex
Der Ehrenkodex seines Verbandes regelt eindeutig, dass es unlauter sei, einen Verbraucher ohne dessen Einwilligung zu Werbezwecken anzurufen. Um Verstöße zu ahnden, werde eine zentrale Beschwerdestelle eingerichtet. Ein Gütesiegel solle außerdem für Auftraggeber transparent machen, wer sich an den Kodex hält. "Auch die von Wallraff dargestellte Probearbeit widerspricht ganz klar dem Ehrenkodex und dem geforderten fairen Umgang gegenüber Mitarbeitern", sagt Stockmann. Das von Wallraff besuchte Unternehmen CallOn sei zudem gar nicht Mitglied im Call Center Forum. Nach Auffassung von Jens Klemann, Geschäftsführer der Unternehmensberatung Strateco http://www.strateco.de, finde man in jeder Branche unseriöse Geschäftsleute, die sich ohne moralische Skrupel auf Kosten der Allgemeinheit bereichern wollen. "Im reinen Verkaufsgeschäft tummeln sich auch Betrüger, die aufgrund ihrer Geschäftspraktiken häufiger Namen und Firmierung wechseln. Das hat mit dem Dienstleistungsgeschäft der Branche aber nichts zu tun. Beim Gros der seriösen Anbieter liegt der Schwerpunkt klar beim Kundenservice", erläutert Klemann.
"Doch Herr Wallraff hat sich von vorneherein eines der Schwärzesten herausgesucht, um in populistischer Manier die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen"
Dass in der Call-Center-Branche wie in allen Branchen schwarze Schafe zu finden sind, lasse sich nach Erfahrungen des Peronalberaters Marc Emde, Geschäftsführer von Kirchconsult in Köln, nicht vermeiden: "Doch Herr Wallraff hat sich von vorneherein eines der Schwärzesten herausgesucht, um in populistischer Manier die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dass in seiner Beschreibung vielfach sachliche Angaben nicht stimmen, kommt noch erschwerend hinzu", moniert Emde. Insgesamt sei der Rundumschlag unverständlich. "Was spricht gegen 400.000 neue Arbeitsplätze und zehn-prozentige Wachstumsraten? Vor allem in Zeiten, in denen die 'guten alten Fabriken' Personal abbauen, Werke schließen oder ins Ausland verlagern? Er selbst beschreibt die Call Center als staubfrei. Sie sind im Vergleich zu Bergwerken, auf die Wallraff sich bezieht, ohne Gesundheitsrisiken und Unfallgefahr -- so what? Man sollte die Chancen der Informations- und Wissensgesellschaft nutzen und nicht eine komplette Branche diskreditieren. Wer soll sich um den Kundenservice in Deutschland kümmern - wenn nicht Mitarbeiter, die ein Telefon bedienen, in dem Thema ausgebildet sind und Kunden ihre Anfragen beantworten. Lieber Herr Wallraf, Sie gehen nicht mit der Zeit. Lernen Sie, zu differenzieren und versuchen Sie einfach mal, guten Journalismus zu praktizieren", so der Ratschlag von Emde.
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