Der Dokumentarsendung der BBC "Sex, Verbrechen und der Vatikan", der am Donnerstagabend im Rahmen der von der RAI ausgestrahlten Polit-Show "Annozero" gezeigt wurde, hat Rekordeinschaltsquoten erzielt. Über fünf Millionen Zuseher verfolgten das Programm, in dem Ausschnitte der BBC-Dokumentation aus dem Jahr 2006 gezeigt wurden, teilte die RAI am Freitag mit. Der Dokumentarfilm enthielt unter anderem Interviews mit Opfern mutmaßlicher Übergriffe von Priestern.

Die Ausstrahlung der Sendung am Donnerstagabend war im Vorfeld höchst umstritten, da offene Kritik am Vatikan in Italien unüblich ist. Parlamentarier der Mitte-Rechts-Opposition um Silvio Berlusconi hatten zum Boykott der Sendung aufgerufen und die Zuschauer aufgefordert, die Fernsehapparate auszuschalten. RAI-Chef Claudio Cappon war wegen seines Beschlusses heftig kritisiert worden, den BBC-Dokumentarfilm trotz vehementen Protests aus katholischen Kreisen zu senden.

Vatikan: "Einseitige Perspektive"

Vatikan-Sprecher Pater Federico Lombardi bezeichnete den Dokumentarfilm als "zutiefst ungerecht", vor allem weil er die Persönlichkeit von Kardinal Joseph Ratzinger, des derzeitigen Papstes, angreife. "Der Film berichtet über dramatische Ereignisse aus einer einseitigen Perspektive", betonte der Vatikan-Sprecher. "In der Kirche besteht der Wille, die Probleme mit Objektivität zu betrachten und sie auf loyale Weise in Angriff zu nehmen. In der Kirche gibt es Personen, die sich mit Kompetenz und Einsatz dem Kampf gegen die Pädophilie widmen", betonte Lombardi.

"Die katholische Kirche hat auf eigene Kosten die Folgen der gravierenden Fehler einiger ihrer Mitglieder zu tragen gelernt und ist fähiger geworden, zu reagieren und vorzubeugen. Die Gesellschaft insgesamt muss sich im Klaren sein, dass man zum Schutz der Minderjährigen und im Kampf gegen die Pädophilie noch einen weiten Weg gehen muss", meinte Lombardi.

Ratzinger für Geheimdokument verantwortlich

Im Dokumentarfilm ist von einem Geheimdokument namens "Crimen Sollicitationis" die Rede, das vom Heiligen Offizium, der heutigen Glaubenskongregation, 1962 herausgegeben wurde. Darin enthalten seien Anweisungen an die Bischöfe, wie man sich in Fällen von Priestern verhalten solle, die den Beichtstuhl für sexuelle Avancen nutzten oder die sexueller Kontakte mit Tieren, Kindern oder Männern beschuldigt wurden.

Verantwortlich für diese Anweisungen war laut der BBC-Dokumentation Joseph Ratzinger, der damals noch ein einfacher Theologe war und erst viel später Chef der Glaubenskongregation wurde. Die Skandale seien mit Schweigen unterdrückt und die von den Justizbehörden gesuchten Geistlichen versteckt worden, heißt es in der BBC-Doku. (APA)