Bild nicht mehr verfügbar.

foto:EPA/Urs Flueeler
Mit Cherie Blair, Menschenrechtsanwältin und Frau des scheidenden britischen Premierministers, sprachen Sebastian Borger und Benedikt Rüttimann.

*****

STANDARD: Frau Blair, der jüngste Bericht von Amnesty International zeichnet ein düsteres Bild der Menschenrechte weltweit und macht dafür vor allem den so genannten Krieg gegen den Terror verantwortlich. Wie beurteilen Sie die Lage?

Blair: Ich sehe die Welt nicht so pessimistisch. Es gibt keine größere Gefahr als Pessimismus und Zynismus, weil dadurch Wandel nicht befördert wird.

STANDARD: Befürworten Sie die Methoden, die der Westen und vor allem die USA anwenden?

Blair: Sie sprechen vom so genannten Krieg gegen den Terror. Wir sollten nicht ignorieren, dass der 11. September 2001 passiert ist und am 7. Juli 2005 in London Bomben explodiert sind. Organisationen wie Al-Kaida haben klar und deutlich gesagt, dass sie unsere westlichen Werte für korrupt halten und abschaffen wollen. Das ist keine Fiktion.

STANDARD: Sie engagieren sich für Kinderrechte. Kinder gehören zu den ersten Opfern des Kriegs gegen den Terror. So können seit dem Einmarsch in den Irak hunderttausende Kinder nicht mehr zur Schule gehen.

Blair: Im Irak haben hunderttausende Kinder jahrelang unter den UN-Sanktionen gelitten. Saddam Hussein und seiner Familie ging es gut. Seine Söhne töteten Unschuldige und vergewaltigten Frauen. Wer behauptet, im Irak sei vor der Intervention des Westens alles in Ordnung gewesen, macht sich etwas vor. Nichtstun hat ebenfalls Konsequenzen. Wir können diskutieren, wie man am besten gegen Terroristen vorgeht. Aber ihnen einfach den Rücken zuzudrehen ist keine Option.

STANDARD: In der sudanesischen Provinz Darfur leidet die Bevölkerung seit Jahren unter schwersten Menschenrechtsverletzungen. Warum interveniert der Westen in diesem Fall nicht?

Blair: Mein Mann hat sehr deutlich gemacht, dass wir mehr tun müssen für die Menschen in Darfur. Britische Hilfsorganisationen haben soeben eine neue Spendenkampagne gestartet. Im Kosovo und später in Sierra Leone haben wir gesehen, dass humanitäre Interventionen ihr Ziel erreichen können. Dabei waren diese Aktionen hochumstritten.

STANDARD: Spendensammeln ist okay, aber sollten wir nicht endlich etwas tun?

Blair: Was den Irak angeht, scheinen Sie nicht dieser Meinung zu sein. In der unvollkommenen Welt, in der wir leben, braucht man mehr als gute Vorsätze. Übrigens werden die Motive jener, die Interventionen gutheißen und auch durchführen, oft in Zweifel gezogen oder geradezu verurteilt.

STANDARD: In vielen asiatischen und islamischen Ländern werden die Menschenrechte als westliches Konzept abgetan.

Blair: Das ist natürlich völlig falsch. Zugegebenermaßen kam es zu ihrer Formulierung nach einer Tragödie, die von Europa ausging und in den Zweiten Weltkrieg mündete; es war eine europäische Ideologie, die andere Menschen zu Untermenschen erklärte und dementsprechend behandelte. Danach sagte die ganze Welt: nie wieder. Afrikanische Staaten, Indien, Pakistan, Saudi-Arabien, Südafrika, alle waren an der Abfassung der UN-Menschenrechtscharta beteiligt. Die UN-Konventionen fassen zusammen, worin wir alle übereinstimmen.

STANDARD: Empfinden Sie es als Problem, dass der Westen keine Vorbildfunktion mehr einnimmt?

Blair: Warum machen Sie den Westen so schlecht?

STANDARD: Das Image des Westens ist in vielen Weltregionen nicht mehr positiv.

Blair: Ich glaube das nicht. Wir können auf vieles stolz sein. Natürlich haben wir auch Fehler gemacht, aber wir versuchen, daraus zu lernen. Und zwar im Dialog. Und genau diesen Dialog finden Al-Kaida oder die Taliban so bedrohlich. Wir sollten stolz sein auf unser Erbe und verdeutlichen, dass wir eine Botschaft für die ganze Welt haben.

STANDARD: „Leben im Goldfischglas“ nannten Sie Ihr Buch über die Zeit in der Downing Street 10. Nun steht Ihr Auszug bevor. Freuen Sie sich auf das Leben außerhalb des Goldfischglases?

Blair: (Lacht.) Glauben Sie, mein Mann und ich werden in Zukunft weniger intensiv beäugt werden?

STANDARD: Vielleicht spielt ja in Zukunft Ihr Mann mehr den Goldfisch, damit Sie Ihre eigene Karriere verfolgen können.

Blair: Ich habe den Eindruck, dass mein Mann noch allerhand auf Lager hat. (DER STANDARD, Printausgabe, 02.06.2007)