Susan Sarandon kann nicht. Sie müsse in Berlin beruflich Kuchen backen, habe keine Zeit für Heiligendamm, sagt sie. Das ist bedauerlich. Aber auch ohne die Schauspielerin und engagierte Politaktivistin wird der G8-Gipfel-Gugelhupf zweifellos aufgehen. Es gibt genügend andere, die dem Welt-Happening in Meck-Pomm hyperventilierend entgegenhecheln. Allseitige Aufregung scheint für die kommende Woche gewährleistet. Bloß, warum geht es denn überhaupt bei dem Jahrestreffen der „Gruppe der Acht“? Klimawandel, Hedgefonds, Afrika, Welthandel – das Spektrum der Themen, die die Mächtigen besprechen wollen, ist breit. Die Gipfelgegner halten unter anderem mit moralischer Empörung, Verschwörungstheorien, Neoliberalismus-Vorwürfen und utopistischen Fantasien dagegen. In der unübersichtlichen Meinungs-Deponie Heiligendamm, scheint es, kann die Chiffre „G8“ für alles und für jedes stehen.

Nachwehen

Die Nachwehen der eigentlich entschieden geglaubten Auseinandersetzung zwischen Kommunismus und Kapitalismus als Grundkonflikt bleiben in der diffusen Debattenlage aber weit gehend unbeachtet.

"Alles! Für alle! Und das umsonst!"

„Alles! Für alle! Und das umsonst!“, das mag zugegeben nicht das hellste Beispiel aus dem Argumentarium der Gipfelgegner sein, das auf Demos skandiert wird. Aber damit geben die Radikalen unter den Globalisierungskritikern den Ton vor, gegen den auch Attac und andere Organisationen wie Gewerkschaften oder Kirchen nicht singen wollen. „Eine andere Welt ist möglich“, steht auf dem Flugblatt für die Aktionswoche zum G8-Gipfel. Die Antworten auf die Frage, welche Welt das denn sein könnte, und _ob diese überhaupt wünschenswert sei, bleiben unbefriedigend. Viel ist von einem „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ die Rede. Ein Beispiel dafür ist bisher nur die Autokratur des Hugo Chávez in Venezuela, gegen die die als „illegitime Weltregierung“ diskreditierte G8 jeden Vergleich besteht.

Überall demokratische Gesellschaften stärken

1975 ist die damalige G6 angetreten, um "überall demokratische Gesellschaften zu stärken". In einer brandneuen Studie des G8-Forschungszentrums der Universität Toronto hat John Kirton festgestellt, dass die Organisation in der Tat viel getan habe, um Demokratie zu verbreiten. Heute gehören etwa die Standards von Good Governance und Menschenrechten zur G8-Afrika-Politik. China dagegen schert sich dort einen Dreck darum – bisher ohne mit Massenaufmärschen von Demonstranten fürchten zu müssen, die sich am afrikanischen Elend stoßen.

Die G8 ist keine Weltregierung. Im Gegenteil. Ihr ökonomischer Einfluss sinkt sukzessive. Ihr Anteil am Welt-BIP beträgt heute nur noch 42 Prozent, jener der großen Schwellenländer (unter anderem China, Indien, Brasilien) ist auf 28 Prozent gestiegen. Die G8 ist auch keine internationale Organisation. Sie für alle Unzulänglichkeiten in der Welt verantwortlich zu machen, ist vermessen. Erst recht, weil sie laut John Kirton legitimierten internationalen Organisationen beigesprungen ist, „um Krisen abzuwenden und öffentlichen Wohlstand zu produzieren“.

Ja, es gibt himmelschreiende Ungerechtigkeiten auf der Welt. Es gibt Hemmnisse, mit denen Industriestaaten die Entwicklung armer Länder verhindern. Es gibt Strukturen und Schuldknechtschaften, die durch nichts zu rechtfertigen sind. Genauso gibt es Korruption und Misswirtschaft in den Entwicklungsländern. Die Aufgabe von reichen Staaten kann aber nicht Barmherzigkeit sein, denn die ist nicht nachhaltig. Die Aufgabe muss heißen, das Streben nach Eigennutz zur fördern, die Interessen der Armen in ausbalancierten Märkten zuzulassen. Die Öffnung der – kapitalistischen – Agrarmärkte brächte mehr als jede andere Subvention für Entwicklungsländer. "Handel bringt Wandel", pflegt einer der Gründerväter der G8, der deutsche Altkanzler Helmut Schmidt, stets zu sagen.

Wer den Kapitalismus aber ablehnt, nimmt den armen Ländern jede Chance. Wer globalisierte Antiglobalisierungskampagnen fährt, ist nicht unbedingt konsistent. – Anders gesagt: Man kann den G8-Gugelhupf nicht haben und ihn gleichzeitig aufessen wollen.(Christoph Prantner/DER STANDARD, Printausgabe, 02.06.2007)