Lindabrunn (APA) - Über Arbeitsmangel hat sich ÖFB-Mentalcoach Günter Amesberger in den vergangenen Tagen nicht beschweren dürfen. Immerhin galt es, die österreichische Fußball-Nationalmannschaft nach der 0:1-Heimniederlage gegen Schottland wieder aufzurichten und auf Kapitän Andreas Ivanschitz nach den gegen ihn gerichtete Hasstiraden positiv einzuwirken.

Amesberger hat auf der Universität Salzburg einen Lehrstuhl in Sportpsychologie und Sportpädagogik, seit 1995 betreut der 48-Jährige unter anderem die späteren Tornado-Doppel-Olympiasieger Roman Hagara/Hans-Peter Steinacher, in den vergangenen beide Saisonen war der gebürtige Niederösterreicher auch für die alpinen ÖSV-Stars zuständig. Mit der APA sprach Amesberger über Unterschiede zwischen Ski-Fahrern und Fußballern, die Hierarchie im ÖFB-Team und die Skepsis, die ihm und seiner Arbeit mancherorts entgegenschlägt.

Wie geht man als Mentaltrainer nach solchen Ereignisse wie im Schottland-Spiel mit der Mannschaft und speziell mit Ivanschitz um?

Amesberger: "Wir analysieren nur, ob das einen Einfluss auf die Leistung und Konzentrationsfähigkeit der Mannschaft hatte, weil solche Phänomene auch bei der EURO passieren könnten. Es geht ja darum, den Fokus zu halten. Mit Andi habe ich Verschiedenes besprochen, er hat eine sehr professionelle Einstellung dazu."

Waren Sie mit einer ähnlichen Situation im Rahmen Ihrer Tätigkeit für Segler oder Ski-Fahrer schon einmal konfrontiert?

Amesberger: "In dieser Form nicht. Wenn es im Skisport nicht so gut gelaufen ist, wie etwa bei der WM im vergangenen Winter, war sehr schnell Kritik da, aber es ist nie in dieser Art ausgeartet, weil diese Sache rund um Ivanschitz auch ein anderes Thema ist und einen stark regionalen Charakter hat."

Wo liegt generell der Unterschied zwischen der Arbeit mit Fußballern und jener mit Ski-Fahrern oder Seglern?

Amesberger: "Bei den Seglern zum Beispiel wird eher personenbezogen gearbeitet, im Fußball eher teambezogen. Ein Fußball-Team ist eine große Mannschaft, damit gibt es sehr viele Themen, was die Gruppe und Teile der Gruppe anbelangt. Wir versuchen, zwischen der Arbeit mit dem Einzelnen und der Arbeit mit der gesamten Mannschaft Verbindungen herzustellen. Man kann die Leute in dem Sinn nicht einzeln betreuen. Wir holen uns eher die Perspektiven, die aus Sicht der Spieler für die Mannschaft wichtig sind, und machen auch diagnostische Sachen, indem wir uns anschauen, wo die einzelnen Spieler stehen.

Welchen Beitrag zur Verbesserung jedes einzelnen Kickers und der Mannschaft als Gesamtes können Sie leisten?

Amesberger: "Wir werden uns bemühen, dass wir die Spieler im Bereich der Psycho-Regulation - Entspannung, Aktivierung und Konzentration - entsprechend unterstützen können. Wir versuchen auch, die Kommunikation zwischen den Spielern und zwischen Spielern und Trainern zu unterstützen."

Braucht das Team mehr Führungsspieler, mehr Persönlichkeiten wie es früher etwa Polster, Kühbauer oder Herzog waren?

Amesberger: "Es kristallisieren sich Führungsspieler heraus. Umgekehrt ist das Klima sehr positiv, das heißt, es ist relativ wenig hierarchisch, was sicherlich große Vorteile bei der Integration junger Spieler hat. Dass eine Mannschaft Führungsspieler braucht und dass diese Positionen bis zur EURO auch eingenommen werden müssen, ist klar. Das hat man gegen Schottland nach dem 0:1 gesehen, in so einer Situation müssen einzelne Personen das gesamte Team ankurbeln und möglichst schnell wieder effektiv machen."

Wie ist um die Kooperationsbereitschaft der Spieler in Sachen Mentaltraining bestellt?

Amesberger: "Grundsätzlich läuft es sehr glatt, dass es immer noch besser sein könnte, ist klar. Dass manche Spieler mehr Unterstützung darin sehen und manche weniger, ist auch völlig logisch. Wir sind sehr gut arbeitsfähig, aber zufrieden darf man nie sein. Wir werden versuchen, uns noch mehr einzubringen, das Ganze läuft ja doch erst relativ kurz und wir haben die Hauptphase sicher noch vor uns."

In Österreich steht man Mental-Trainern im Fußball des Öfteren reserviert gegenüber. Sind Sie persönlich schon mit einer derartigen Skepsis konfrontiert worden?

Amesberger: "Dass gewisse Leute nichts davon halten, stört mich nicht sonderlich. Ich arbeite nur dort, wo man mich danach fragt und habe deswegen auch keine Schwierigkeiten. Es ist nicht mein Job, andere davon zu überzeugen, dass meine Arbeit wichtig ist, sondern mit denen zu arbeiten, die daraus einen Nutzen ziehen, und das funktioniert eigentlich sehr gut."

Ist Fußball hauptsächlich zu einer Kopfsache geworden?

Amesberger: "Es gibt keine Trennung, Körper und Geist gehören einfach zusammen. Jeder Sportler arbeitet sowieso immer mental. Er hat eine Antizipation von einer Fußball-Flugbahn, er hat eine Bewertung der Spiel-Situation, er hat mehr oder weniger Selbstvertrauen. Das Mentale ist immer dabei, genauso wie das Körperliche nicht wegzudenken ist. Ich kann eine Mannschaft mental nicht besser machen, als sie körperlich ist. Umgekehrt, wenn jemand psychisch auslässt, gibt es auch große Probleme. Aber nur selten ist es ein Phänomen allein."

Sie sind seit dem Teamcamp im vergangenen Oktober in Schruns/Tschagguns Mitglied des ÖFB-Betreuerstabs. Wie hat sich die Mannschaft in Ihrem Bereich seither entwickelt? Amesberger: Ein großer Schritt ist schon dort gelungen, und wie es immer ist, wenn die erste Entwicklung gut läuft, dann sind die nächsten Schritte langsamer. Es braucht jetzt schon auch Geduld und Ruhe, damit etwas entstehen kann, aber natürlich ist im Sport der Zeitdruck immer hoch. In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns derzeit."