Wien - In der großen Koalition gehen die internen Scharmützel munter weiter. Die ÖVP setzte am Samstag ihre Attacken auf SPÖ-Minister fort: Generalsekretär Hannes Missethon sprach nach der von den Ländern abgelehnten Kostenübernahme für die Rund-um-die-Uhr-Pflege zu Hause von einer "Verantwortungslosigkeit" von Sozialminister Erwin Buchinger, die "unentschuldbar" sei. Und Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll legte Verteidigungsminister Norbert Darabos gar den Rücktritt nahe. Die SPÖ bekräftigte im Gegenzug ihre Forderung nach einem Ende der ÖVP-"Blockadepolitik" insbesondere in der Bildungspolitik.

Auf die Frage, ob Bundeskanzler Alfred Gusenbauer (S) Darabos abberufen sollte, sagte Pröll in einem Interview für die Samstag-Ausgaben der "Vorarlberter Nachrichten" und der "Tiroler Tageszeitung": "Ich weiß, was ich zu tun hätte, würde es ein solches Problem in meiner Regierung geben. Ich überlasse es Ihrer Interpretation, was ich damit meine." Der NÖ-Landeshauptmann hat kein Verständnis dafür, dass sich Darabos in der Eurofighter-Frage mehrere Optionen offen hält: "Stellen Sie sich einmal vor, es kommt zu einem Ernstfall, in dem das Bundesheer gefragt ist und wir haben einen Verteidigungsminister, der sich drei oder vier Varianten offen lässt. Das geht nicht. Ich habe nichts gegen den Minister Darabos, aber so darf ein Minister nicht agieren. Da ist der Kanzler gefordert."

Missethon schießt sich hingegen neuerlich auf Buchinger ein, weil der Sozialminister am Freitag nicht an der Tagung der Landesfinanzreferenten teilgenommen hat. "Dass er sich derart aus der Verantwortung gestohlen hat, ist nicht hinzunehmen. Daher darf der Sozialminister jetzt auch nicht aus seiner Pflicht entlassen werden", meinte der ÖVP-Generalsekretär, der auch nicht akzeptiert, dass Buchinger nun die weiteren Verhandlungen im Zuge des Finanzausgleichs an Finanzminister Wilhelm Molterer (V) weiterreichen wolle. Der Finanzminister werde selbstverständlich im Interesse der betroffenen Menschen in der Causa Pflege mit den Ländern verhandeln und im Zuge des Finanzausgleichs ein Ergebnis anstreben. "Die Vorbereitung eines Finanzierungskonzepts für die Pflege obliegt aber weiterhin dem Sozialminister. Wir haben von Buchinger bis heute keine Antwort auf die Frage der konkreten Kosten des Pflegemodells. Diese müssen rasch auf den Tisch. Das ist eine klare und ureigene Aufgabe eines Sozialministers".

"Die ÖVP macht zwar ohnehin schon fast die ganze Regierungsarbeit allein. Aber niemand kann von uns verlangen, die zentralsten Aufgaben des Sozialministers zu übernehmen. Buchinger muss jetzt in die Hände spucken und endlich arbeiten", so Missethon.

SPÖ-Finanzstaatssekretär Christoph Matznetter hatte zuvor bereits im Ö1-"Morgenjournal" für eine gemeinsame Vorgangsweise von Sozial- und Finanzressort bei den Verhandlungen mit den Ländern plädiert. Der Sozialminister habe sehr weitgehende Vorarbeiten geleistet, die er einbringen werde. Dann müsse der 15a-Vertrag mit den Ländern ausverhandelt werden, das falle in die Zuständigkeit des Finanzministeriums. "Wir brauchen dabei die Expertise des Sozialministers, der und unterstützen wird." Die Pflege werde "gesondert" von den Finanzausgleichsverhandlungen noch heuer geregelt, betonte Matznetter.

SPÖ-Bildungssprecher Erwin Niederwieser forderte unterdessen neuerlich die ÖVP auf, ihre "Blockadepolitik" in Bildungsfragen zu beenden. "Zu jedem Vorschlag 'Nein' zu sagen, bringt unser Land nicht weiter und wird auch der ÖVP letztendlich schaden. Denn die Reformunwilligkeit in Bildungsfragen ist der ÖVP schon bei den letzten Wahlen auf den Kopf gefallen", sagte Niederwieser in einer Aussendung. Bedauerlich findet er, dass mehrere ÖVP-Landeshauptleute nicht zu der für 19. Juni geplanten Landeshauptleutekonferenz zu schulpolitischen Fragen kommen wollen. "Offenbar ist die ÖVP-interne Auseinandersetzung zwischen den reformunwilligen Kräften und den fortschrittlichen Exponenten noch immer nicht im Gange", meinte Niederwieser dazu. (APA)