London - Israel ist einem Bericht von amnesty international (ai) zufolge auf Grund seiner 40-jährigen Besatzungspolitik für die große Armut der Palästinenser verantwortlich. Zwar habe Israel legitime Sicherheitsinteressen, hieß es in einem am Montag in London veröffentlichten Bericht der Menschenrechtsorganisation. Aber es sei nicht zu rechtfertigen, dass der jüdische Staat eine Sperranlage auf dem Gebiet des Westjordanlands errichte. Die Organisation kritisierte auch die israelische Siedlungspolitik.

Ginge es Israel nur darum, Selbstmordattentäter fern zu halten, hätte laut ai eine Sperranlage entlang der Grünen Linie genügt, die Israel seit dem Sechs-Tage-Krieg von 1967 vom Westjordanland trennt. "Doch die Realität ist, dass der Großteil auf palästinensischem Gebiet gebaut wird", erklärte der für den Nahen Osten und Nordafrika zuständige ai-Experte Malcolm Smart. Mit dem Bau der Sperranlage umgehe Israel ein Urteil des Internationalen Gerichtshofs. Dieser hatte die Anlage 2004 für illegal erklärt. Smart kritisierte, dass die Sperranlage palästinensische Dörfer und Städte teile.

Kritik an Sperranlage und Siedlungspolitik

Der ai-Bericht verurteilte zudem, dass die Palästinenser durch 500 Kontrollpunkte und Straßensperren behindert würden sowie durch direkt nach Israel führende Straßen, die ausschließlich für Siedler zugelassen seien. Diese Politik ziele darauf, "die sich weiter ausbreitenden, aber unrechtmäßigen Siedlungen zu begünstigen". Sie sei verantwortlich, für den "faktischen Kollaps der palästinensischen Wirtschaft".

Die meisten Palästinenser seien abhängig von Hilfslieferungen. Das israelische Vorgehen habe in "weit reichende Menschenrechtsverletzungen" gemündet und habe dabei weder den Israelis noch den Palästinensern Sicherheit gebracht.

Amnesty rief Israel auf, alle Blockaden gegenüber den Palästinensern aufzuheben, den Bau der Sperranlage auf palästinensischem Gebiet zu stoppen und die bereits errichteten Abschnitte dort abzureißen. Anstatt ganze Bevölkerungsgruppen zu bestrafen, solle das Land sich auf gezielte Maßnahmen zum Schutz vor Bedrohungen konzentrieren. Zugleich forderte die Organisation militante Palästinenser auf, gezielte Angriffe auf israelische Zivilisten zu unterlassen. Die palästinensische Autonomiebehörde müsse ihrerseits die Angreifer verfolgen.

Peres weist amnesty-Kritik zurück

Der israelische Vize-Regierungschef und Präsidentschaftskandidat Shimon Peres hat die Kritik von amnesty international (ai) an der Sperranlage um das Westjordanland zurückgewiesen. "Die mit der Sicherheits-Barriere verbundenen Probleme sind eine Konsequenz aus der zweiten Intifada und aus den palästinensischen Selbstmordanschlägen in Israel", sagte Peres am Montag dem staatlichen Rundfunk.

Jeder Staat habe die Pflicht seine Bürger zu schützen, sagte Peres. Die Sperranlage sei errichtet worden, um Anschläge der Palästinenser zu verhindern, bekräftige der Politiker die Position Israels. Auch mehrere andere Regierungsmitglieder kritisierten laut dem israelischem Rundfunk den in London veröffentlichten ai-Bericht, da er nicht auf die israelischen Opfer von palästinensischen Anschlägen eingehe.

Die weiter in Bau befindliche Sperranlage soll bei ihrer Fertigstellung rund 650 Kilometer lang sein. Auf Grundlage eines Rechtsgutachtens des Internationalen Gerichtshofes (IGH) hatten die Vereinten Nationen den Wall im Juli 2004 in ihrem Verlauf auf palästinensischem Gebiet für völkerrechtswidrig erklärt. Der Haager Gerichtshof, der von der UNO-Vollversammlung angerufen worden war, verlangte den Abriss der Anlage. (APA/Red)