Der ältere Herr schenkt der Leserin den langen, prüfenden Blick eines schlauen Immobilienmaklers. Korrekter Anzug, Stecktuch, Krawatte mit kleinen Sternchen, zurückgekämmtes weißes Haar sowie ein Bürogebäude im Hintergrund vervollständigen das Bild des seriösen Herrn. Wäre da nicht, in dem von Jahren der Kundenbetreuung etwas matt gewordenen Gesicht, kirschroter Lippenstift: rot geschminkte Lippen an einem sonst grau-weißen Mann. Denn er steht für kein Maklerunternehmen, sondern für langhaftenden Lippenstift im neuen britischen Frauenmagazin Nova. Der Gedanke von Chefredakteurin Deborah Bee bei dieser Inszenierung: "Wem wäre es unangenehmer, als einem durch und durch seriösen Herrn, wenn irgendjemand seine Neigung für nächtliche Transvestitenshows entdecken würde? Nur Schminke könnte ihn verraten, die man nach Stunden noch sieht." Frauenmagazine, findet die Mutter von vier Kindern, greifen generell zu kurz, um weiblichen Interessen gerecht zu werden. Ihre Leserinnen will sie durch breit gefächerte, witzig geschriebene und tiefer greifende Information ansprechen: "Es gab bis jetzt einfach kein intelligentes, kantiges Frauenmagazin, das mich persönlich aufdreht." Bee will Traditionelles in eine völlig neue Sprache kleiden. So findet man in Nova keine herkömmlichen Psychotests zum Ankreuzen der Fragen mit Auflösung hinten. Sondern man bekommt die Antworten gleich mitgeliefert. Zum Beispiel bei den 50 Fragen zu: "Wie steht's um Ihre Unschuld?" an eine bekannte Schauspielerin. Dazu kommen politische Reportagen und der Verzicht auf retouchierte Fotos von überdünnen Models. Bee: "Es macht keinen Sinn, alle Kosmetika immer auf perfekten Mädchen zu präsentieren, und so zu suggerieren, dass die Leserin genauso aussehen könnte, wenn sie das Produkt kauft - das ist ein Hohn, und untergräbt das Selbstbewusstsein." Auf der Titelseite ist dennoch ein Model zu sehen, denn: "Die Leute sehnen sich nach gutem Aussehen." Die Auflage bestätigt die Strategie. Das Heft erschien in den ersten drei Nummern mit 120.000 Exemplaren. Offenbar fühlen sich alle Altersgruppen angesprochen. Die Leserbriefschreiberinnen sind zwischen 15 und 60. ( Martina Salomon und Eva Stanzl )