Der Highway 101 zwischen San José und San Francisco ist weiterhin mit Werbetafeln obskurer Dotcom-Unternehmen gespickt. Jede
zweite Visitenkarte, ausgetauscht im Silicon Valley, ziert bestimmt das Dotcom-Anhängsel. Doch das Dotcom-Fieber hat ganz eindeutig an Rausch
verloren.
"Dot.come or dot.gone"
"Dot.come or dot.gone" reimte ein Moderator jüngst auf einer Veranstaltung für Venture-Capitalists und erntete ein müdes Lächeln vom Gastgeber
OneVC.com. Selbst Jim Clark, milliardenschwerer Gründer von Netscape und verschiedenen Dotcom-Unternehmen, konnte sich einen Seitenhieb
auf glorreich gescheiterte Neugründungen wie Boo.com oder Toysmart.com nicht verwehren. "Geld gibt es eine Menge, aber nicht ausreichend viel
Grips", bedeutete er einem jungen Mann, der wissen wollte, wie man heute noch Geld locker macht.
An Geld mangelt es in der Tat nicht. Venture-Capitalists sammelten in den ersten sechs Monaten dieses Jahres eine Rekordsumme von 25,2
Milliarden Dollar - fast dreimal soviel wie 1999. Doch will man den Experten glauben, dann fließt es statt in Dotcoms im E-Commerce mehr und
mehr in die "comms", will heißen: in die Kommunikationstechnologie. Allein in diesem Jahr pumpten fünf Venture-Capitalist-Firmen mehr als eine
Milliarde Dollar in Start-ups, die Kommunikationstechnologie verkaufen oder Dienste in diesem Sektor anbieten.
Absturz im April
Die Liebe für die Dotcommers endete abrupt im April, als die Technologie-Börse Nasdaq in die Tiefe sauste und viele Investoren plötzlich aus ihrem
Traum vom schnellen Geld gerissen wurden. War es noch vor wenigen Monaten möglich, mit einer Idee und einem Business-Plan allein Millionen
lockerzumachen, in sechs Monaten an die Börse zu gehen und über Nacht zum Millionär aufzusteigen, so ist seit dem Dotcom-Crash erst einmal
die Luft raus aus dem Bubble.
Natürlich begrüßen die wenigsten die Turbulenzen, aber es sei gesund, die Spreu vom Weizen zu trennen, lautet die Mantra der weiterhin
Unerschrockenen. Und clever und gierig, wie sie sind, die jungen Entrepreneurs im Silicon Valley, versäumen sie keine Zeit damit, Altem
nachzutrauern. Sind Dotcoms plötzlich uncool, dann wird einfach das Dotcom aus dem Namen gestrichen. So wurde aus VarsityBooks.com, einem
Online-Textbuchverlag, Varsity Group. Aus TheBrain.com, einem in San Mateo ansässigen Softwaredesign-Unternehmen, The Brain Technology
Corporation.
Selbst beim Domain-Business sind die Zeichen unübersehbar. Zahlte man früher für die Registrierung einer neuen Dotcom 70 Dollar, so bietet
Namesecure.com nun gar die Eintragung zum Schnäppchenpreis an: 35 Dollar für zwei Jahre. (Rita Neubauer -
D
ER
S
TANDARD
, Print-Ausgabe, 7.8. 2000)