Für Rechnungen über mehr als 5000 Euro wird zwischen Unternehmen in Österreich wahrscheinlich ab 2009 keine Mehrwertsteuer mehr verrechnet. Erst der Endverbraucher zahlt die Mehrwertsteuer, die der Verkäufer oder Dienstleister dann an das Finanzamt abführt. Dieses "Reverse-Charge"-Modell soll den Mehrwertsteuerbetrug bei Exportgeschäften und Scheinrechnungen zwischen Unternehmen deutlich schwieriger machen.

Die Finanzminister der EU beauftragten am Dienstag beim Ministerrat in Luxemburg die EU-Kommission, etwaige Auswirkungen eines solchen auf Österreich begrenzten Feldversuches auf die Union zu untersuchen und das Ergebnis bis Ende dieses Jahres vorzulegen.

Sorgen

Experten gehen davon aus, dass es keine ernsten Einwände gegen den Versuch gibt und Österreich Anfang 2008 dann "offiziell" die Erlaubnis zum Wechsel des Systems bekommt. Wie berichtet haben Österreich und Deutschland seit Jahren auf einem Systemwechsel bestanden, scheiterten aber am Widerstand Frankreichs, Italiens und Polens. Diese Länder befürchten, dass das Reverse-Charge-Modell andere Türen für Betrüger öffnet. Deutschland hatte daraufhin auch andere Reformen, das so genannte Mehrwertsteuerpaket, blockiert. Der Versuch mit Österreich hat Deutschland nun dazu bewogen, seinen Widerstand aufzugeben.

Für Österreichs Unternehmer gibt es allerdings das Risiko, dass nach drei oder vier Jahren (also dann 2011 oder 2012) der Feldversuch beendet wird und wieder zum derzeitigen System zurückgekehrt werden muss, falls die Auswirkungen auf den Steuerbetrug nicht so groß wie erhofft ausfallen, bestätigte EU-Steuerkommissar László Kóvacs. "Aber gehen wir davon aus, dass die Sache ein Erfolg wird", sagte er zum STANDARD.

Luxemburger Veto

Unerwartete Probleme gab es beim Finanzministerrat beim Mehrwertsteuerpaket. Dieses sieht vor, bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen (Leasingfirmen, Downloads über das Internet, TV-Übertragungen, etc.) die Steuern in Zukunft am Ort des Verbrauchs einzuheben und nicht mehr am Ort des Dienstleisters. Luxemburgs Premier Jean-Claude Juncker hat hier überraschend sein Veto eingelegt, da viele der betroffenen Unternehmen ihren Standort im Niedrigsteuerland Luxemburg haben. Die neue Regelung würde diesen Standortvorteil zunichte machen und Luxemburg bis zu ein Prozent seines BIP, rund 220 Millionen Euro, kosten.

Eine vorläufige Einigung sieht vor, dass im Geschäftskundenbereich die Besteuerung am Ort des Verbrauchs außer Streit gestellt wird, bei den Geschäften mit Konsumenten aber die EU-Kommission noch einmal nach Alternativen suchen muss. (Michael Moravec aus Luxemburg, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6./7.6.2007)