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Ludwig Prokop, der gestern seinen 80. Geburtstag feierte, sprach mit Fritz Neumann über Genmanipulation im Spitzensport, über die angeblich weiße Weste der Tour de France, die Ausnahmestellung von gedopten Superstars, über mögliche Folgen einer Freigabe von Doping. Und über das Mascherl, natürlich. Standard: Glauben Sie, Herr Professor, dass bei der Tour de France heuer plötzlich nicht mehr gedopt worden ist, wie das kürzlich die Auswertung sämtlicher Tests ergeben haben soll? Ludwig Prokop: Das ist ein Märchen. Es werden ja nur die Besten kontrolliert und dann noch einige wenige dazugelost. Ein 20. Gesamtplatz bei der Tour ist aber schon ein riesiger Erfolg. Insgesamt ist es nicht unbedingt so, dass die Doper den Dopingjägern voraus sind, nur ist der Nachweis einiger Substanzen einfach zu teuer. Ich erinnere daran, dass zum Beispiel die Dopingkontrollen bei Olympischen Sommerspielen schon längst mehr als 2,5 Millionen Dollar kosten. STANDARD: Wie beurteilen Sie das Ende der Prozesslawine ums staatliche Doping in der DDR? Die bedingten Haftstrafen für die obersten Sportfunktionäre? Prokop: Verurteilen ist halt ein dehnbarer Begriff. Es war schon richtig, dass die Vergangenheit aufgearbeitet wurde. Nur muss man insgesamt sagen, dass das Doping früher eben nicht nur in der DDR, sondern auch in anderen Ländern, vor allem im Osten, staatlich gesteuert worden ist. STANDARD: Die Genmanipulation, so hört man immer öfter, könnte auch im Spitzensport bald schon eine Rolle spielen, wenn sie das nicht schon tut . . . Prokop: Natürlich tut sie das. Man züchtet schließlich auch Rennpferde. Und es ist kein Zufall, dass Kinder von ausgezeichneten Sportlern auch oft sehr gute körperliche Eigenschaften mitbringen. STANDARD: Sie waren selbst aktiver Schwimmer, Fechter, Fünfkämpfer, später lange Zeit Präsident des Weltverbands der Sportärzte, Sie sind seit mehr als 50 Jahren Dopingjäger. Haben Sportler heute eine andere, fatalistischere Einstellung zu ihrem Körper als früher? Prokop: Heute ist Hochleistungssport längst ein Beruf, nicht wie in meiner Jugend, da hab' ich im März fechten gelernt, und im Oktober war ich schon Mannschaftsmeister. Heute kann man im Sport viel verdienen, mehr als in anderen Berufen, dafür nicht so lange. Deshalb sind viele Menschen bereit, ihre Gesundheit zu opfern. Wenn man ein Auto, das normal sechzig PS hat, auf hundert PS frisiert, dann geht das natürlich an die Substanz. Aber das nehmen viele in Kauf. Der Sport ist nicht mehr als ein Modell für unsere Leistungs-gesellschaft, nur schert's in anderen Berufen niemanden, wenn gedopt wird. STANDARD: Wie beurteilen Sie, dass manche vor den Sportgesetzen scheinbar gleicher sind? Dass Superstars wie Javier Sotomayor, Dieter Baumann oder Merlene Ottey trotz positiver Dopingproben an den Olympischen Spielen teilnehmen dürfen, indem sie einfach pardoniert oder quasi im Zweifel nachträglich freigesprochen werden? Prokop: Im Prinzip find' ich das natürlich nicht richtig. Denn gerade diese Sportler sind ja die großen Vorbilder. Aber es ist halt wie sonst auch im Leben: Wer populär ist, genießt eine Ausnahmestellung. Wenn ein Minister doppelt so schnell Auto fährt wie erlaubt - was, glauben Sie, wird ihm schon groß passieren? STANDARD: Sollte man nicht, wie das vielfach gefordert wird, allein um Chancengleichheit zu schaffen, Doping freigeben? Prokop: Chancengleichheit wäre erst recht nicht gegeben, weil die Reichen sich teurere, bessere Mittel leisten können. Nach einer Freigabe von Doping könnte man den Sport abschreiben. Dann wäre schon der 14-Jährige bei der Mittelschul-Meisterschaft gezwungen oder zumindest verleitet, gesundheitsschädigende Substanzen einzunehmen. Man muss generell schon einmal sagen, dass der Sport zur psychosomatischen Entwicklung junger Menschen einen positiven Beitrag leisten soll. STANDARD: Halten Sie die Kriminalisierung von Doping für richtig? In Italien beispielsweise ist es schon so, dass nicht nur, wer mit Dopingmitteln handelt, ins Gefängnis gehen kann, sondern auch, wer Dopingmittel nimmt. Prokop: Doping ist Betrug, das kann man nicht anders sehen, wie schwer dieses Vergehen beurteilt wird, ist ein anderes Kapitel. Ganz sicher ist es jedenfalls kriminell, mit Dopingsubstanzen zu handeln, die die Gesundheit anderer Menschen, vor allem junger Menschen schädigt. STANDARD: Sie erleben in Sydney Ihre 26. Olympischen Spiele. Welche Funktionen und Aufgaben erfüllen Sie? Prokop: Ich führe Dopingkontrollen und Sex-Tests durch - Sex-Tests sind wichtiger, als man glaubt, ich habe es selbst erlebt, dass Männer als Frauen angetreten sind. Meine Tätigkeit ist eine ehrenamtliche, mit der ich aber 18 Stunden am Tag beschäftigt bin. Die Sitzungen am Abend beginnen oft erst um zehn Uhr, und in der Früh muss ich oft um sieben Uhr aufstehen, zu vielen Wettkampfstätten fährt man ja eine Zeit lang. STANDARD: Sie hatten auf Ihr Markenzeichen, das Mascherl, sozusagen viele Jahre lange ein Monopol, dann hatten Sie es eine Zeitlang nicht, jetzt haben Sie es wieder . . . Prokop: Ja ja, man muss ja den Namen gar nicht nennen. Aber ein bisserl mehr Mut hätt' ich von ihm schon erwartet. Ich will nicht sagen, es war charakterlos, das Mascherl abzulegen, aber schon ein bisserl inkonsequent. Ich trage Mascherl seit fünfzig Jahren, mein Vater hat auch Mascherl getragen. Insgesamt hab' ich mittlerweile eine Sammlung von 400 Mascherln, es kann praktisch nicht vorkommen, dass ich in zwei Wochen zweimal dasselbe Mascherl trage, manche Leute in meiner Umgebung, zum Beispiel Studenten, kontrollieren das sogar. Einige werden sich jetzt vielleicht denken, der Herr Prokop ist verrückt.