Im Laufe einer Afrikareise wurde meiner Frau Melinda und mir vor Kurzem in einer Klinik ein herzzerreißendes Foto eines Patienten namens Jean gezeigt. Der sehr dünne, zerbrechliche Mann litt an Aids.

Während wir das Foto wie gebannt betrachteten, kam ein Mann in die Klinik und begrüßte uns strahlend. Wir brauchten eine Minute, bis uns klar wurde, dass es Jean war. Dank leistungsstarker neuer Heilmittel gegen Aids war er gesund und wohlauf!

Jean ist kein Einzelfall. Nach einem aktuellen Bericht hat sich die Anzahl der Menschen, die in den Entwicklungsländern gegen Aids behandelt werden, im vergangenen Jahr verdoppelt. Dies ist weit gehend der Großzügigkeit der Geberländer zu verdanken, darunter auch Österreich, das dem Globalen Fonds gegen Aids, Tuberkulose und Malaria 1 Mio. € bereitgestellt hat.

Doch die Behandlung ist nur ein Punkt. Wenn wir die Zukunft Afrikas sichern wollen, müssen wir auch bei der Vorbeugung der weiteren Ausbreitung dieser Krankheit – insbesondere bei jungen Frauen – erhebliche Fortschritte machen. Die unerbittlichen Aids-Statistiken belegen die Bedeutung der Vorbeugung. Jedem Menschen, der im letzten Jahr in den Genuss einer Behandlung kam, standen sechs neu infizierte Menschen gegenüber. Wenn die Anzahl der Neuinfektionen nicht eingedämmt wird, können wir mit der rapide wachsenden Nachfrage nach Behandlungen einfach nicht mithalten.

Schockierende Zahlen

Gemäß den Schätzungen eines Berichts, den die globale HIV-Vorbeugungs-Arbeitsgruppe im kommenden Monat herausbringen wird, könnten wir durch eine signifikante Intensivierung der Vorbeugung die Anzahl der Neuinfektionen im Laufe eines Jahrzehnts um zwei Drittel reduzieren.

Aber es ist schockierend, wie wenige Menschen Zugang zu diesen lebensrettenden Vorbeugungsinstrumenten haben, selbst wenn sie einem extrem hohen Risiko ausgesetzt sind. Weltweit werden die meisten Schüler nicht über Aids informiert. Nur jeder zehnte Erwachsene in Afrika wurde einem HIV-Test unterzogen. Und nur jede zehnte schwangere Frau hat Zugang zu relativ billigen Arzneimitteln, die Neugeborene vor einer Infektion schützen.

So muss die Erfüllung der Vorbeugungsbedürfnisse von Frauen und Mädchen, besonders in Afrika, eine unserer obersten Prioritäten sein. Aufgrund biologischer Unterschiede ist bei Frauen die Aids-Ansteckungsgefahr doppelt so hoch wie bei Männern. Und viele – auch verheiratete – Frauen haben nicht genügend Einfluss auf ihre Partner, um sie zur Treue oder zum Verwenden von Kondomen zu bewegen.

Frauen sollten die Möglichkeit haben, ihr eigenes Leben zu retten, ohne ihren Partner „um Erlaubnis bitten“ zu müssen. Zusätzlich zur Entwicklung neuer Vorbeugungsmethoden müssen wir in diesem Zusammenhang daher auch grundsätzliche Faktoren in Angriff nehmen, die Frauen und Mädchen dem Risiko einer HIV-Infektion aussetzen, wie zum Beispiel sexuelle Gewalt und soziale oder wirtschaftliche Ungerechtigkeit. Es ist kein Zufall, dass bei Mädchen mit besseren Bildungschancen die Gefahr einer Infektion geringer ist.

Glücklicherweise zählt der Kampf gegen Aids in Afrika auch bei dem in dieser Woche stattfindenden G8-Gipfel zu den vorrangigen Themen. Die Geberländer sollten diese Gelegenheit nutzen, um neue Mittel für effektive Vorbeugungs- und Behandlungsprogramme bereitzustellen und kurzfristige Forschungsprojekte über neue Vorbeugungsmethoden zu unterstützen.

Das oberste Ziel der Gates-Stiftung ist es, Aids einzudämmen und – eines Tages – auszumerzen. Dieses Ziel werden wir so lange weiter verfolgen, bis diese Krankheit nicht mehr existiert, und wir können nur hoffen, dass die mächtigsten Nationen dies auch tun werden.

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Bill Gates ist Aufsichtsratvorsitzender von Microsoft und betreibt gemeinsam mit seiner Frau Melinda die Gates Foundation. (DER STANDARD, Printausgabe, 6.6.2007)