Daniel Benjamin: "Keine Lösung im Irak".

Foto: Hermann
Im transatlantischen Verhältnis tut sich was: Frank Herrmann sprach mit dem amerikanischen Politologen Daniel Benjamin über die G-8, George W. Bush, über die Zeit nach Tony Blair und die neuen Freunde in Berlin und Paris.

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STANDARD: Tony Blair verlässt nach zehn Jahren sein Amt. Wird sich Bush da nicht ziemlich einsam fühlen?

Daniel Benjamin: Gordon Brown, der neue britische Premier, wird sich kaum überschlagen, besondere Nähe zu Bush zu suchen. Die Politiker Europas scheinen ja nur noch auf den 20. Januar 2009 zu warten, den Tag, an dem Bush das Weiße Haus verlässt. Brown hat gesehen, wie unpopulär sein Vorgänger wurde, weil er sich zu fest an den US-Präsidenten klammerte. Er wird nicht gerade seine Zahnpasta mit Bush teilen, wie Blair es tat. Aber Porzellan zerschlagen, das will er auch nicht.

STANDARD: Nicolas Sarkozy regiert neuerdings Frankreich, Angela Merkel behauptet sich in Deutschland. Sind die beiden anstelle der Briten nunmehr Amerikas beste Freunde?

Benjamin: Sarkozy hat angekündigt, den Anti-Amerikanismus der Franzosen überwinden zu wollen. Es ist schwieriger, das zu tun, als es zu sagen. Die Europäer wollen bis 2009 irgendwie über die Runden kommen, ohne Bruch mit Amerika, aber auch ohne eine US-Administration zu umarmen, die abgewirtschaftet hat. Bush ist zu unpopulär in Europa, als dass irgendjemand den Wunsch hätte, ihm sonderlich nahe zu sein.

STANDARD: Bewegt sich Bush beim Klimaschutz?

Benjamin: Es würde der Atmosphäre sicher gut tun. Mal abwarten, wir werden es auf dem G8-Gipfel in Heiligendamm sehen. Aber es gibt ein Limit dafür, wie weit er gehen kann.

STANDARD: Welches Limit?

Benjamin: Erstens sind die USA vollauf mit einem einzigen Thema beschäftigt, mit Irak. Zweitens sind Formulierungen, wie sie die Europäer alleine in ein Kommuniqué schreiben würden, für Washington nicht akzeptabel. Die Frage ist, ob man sich auf einen Nenner einigt, von dem die Europäer sagen können: Seht her, Amerika hat sich bewegt. Bush wird sich jedenfalls nicht darauf einlassen, nach dem Kioto-Modell Ziele bei der Reduzierung von Treibhausgasen festzulegen.

STANDARD: Aber es tut sich was in Amerika. Gore, Schwarzenegger, jetzt Bloombergs Umweltplan für New York. Bush bräuchte doch nur mit dem Strom zu schwimmen.

Benjamin: Stimmt, im Senat sitzen Leute, die haben den Klimawandel noch vor Jahren als größten Schwindel der Geschichte bezeichnet. Das tun sie heute nicht mehr. Aber Skeptiker gibt es immer noch, allen voran Dick Cheney, der Vizepräsident. Bush bräuchte viel politisches Kapital, um einen offensiveren Kurs beim Klimawandel zu fahren. Dieses Kapital hat er nicht mehr.

STANDARD: Wie sehen Sie das Verhältnis Amerikas zu Russland. Eine Rückkehr zum Kalten Krieg?

Benjamin: Ich glaube, dass wirtschaftliche Interessen einen zivilisierenden Effekt haben, dass sie Russland an besseren Beziehungen interessiert sein lassen. Wir werden keinesfalls zu einer militärischen Konfrontation irgendeiner Art zurückkehren.

Aber in Russland ändern sich die Dinge eben sehr schnell. Langfristig bin ich dennoch optimistisch, mein Pessimismus konzentriert sich auf eine andere Region, nämlich auf den Nahen Osten.

STANDARD: Wo sehen Sie dort die größten Probleme?

Benjamin: Der Irak ist verloren, aber damit ist die Geschichte ja nicht zu Ende. Wir könnten noch jahrelang Blutvergießen und Instabilität erleben, bevor das Land zur Ruhe kommt. Die beiden Seiten, die am meisten von unserer Intervention im Irak profitiert haben, sind der Iran und Al-Kaida. Ziemlich deprimierend.

STANDARD: Wird Bush die Truppen nach Hause holen?

Benjamin: Bush hat selbst gesagt, dass er das seinen Nachfolgern überlässt. Es geht aber schon weniger darum, den Irak hinzukriegen, als mehr darum, Schuldige für das Scheitern zu finden. Der nächste Präsident - oder die Präsidentin - wäre gut beraten, diesen Krieg zu beenden.

STANDARD: Bushs Argument ist ja, dass man das Blutvergießen noch verstärkt, wenn man jetzt abzieht. Und dass Al-Kaida dann der Sieger ist.

Benjamin: Dieses Argument hat ein paar Schwächen. Es steht gar nicht fest, dass Al-Kaida der Sieger im Irak sein wird. Al-Kaida büßt ja die Chance ein, uns dort zu töten.

Zweitens dürften die regierenden Schiiten nicht annähernd so zurückhaltend in ihrer Kriegsführung sein, wie wir es sind. Vielleicht wird Al-Kaida auf ziemlich robuste Weise nach Al-Anbar (die irakische Westprovinz) zurückgetrieben. Aber wenn Sie fragen, ob der Abzug ein Sieg für Al-Kaida ist. Natürlich ist er das. Aber Al-Kaida feiert diesen Sieg ja schon jetzt. Sie haben die USA ja schon gedemütigt. Aber das ist kein Argument für uns, im Irak zu bleiben, weil wir doch gar keine Lösungen haben. (DER STANDARD, Printausgabe, 6./7.6.2007)