Wo und wie groß?
Heiß umfehdet bis mild umstritten sind die österreichischen Konzepte zum Public Viewing, zum kostenlosen, gemeinschaftlichen Fußballerlebnis vor Großbildleinwänden für Fans, die in den Stadien keinen Platz finden. Ende März haben Österreichs Austragungsstädte ihre Konzepte der UEFA übermittelt. Kleinere bis größere Fanzonen (zum Teil nicht kostenlos) sind aber auch in vielen anderen Orten geplant. Die zentrale Fanmeile in der Finalstadt Wienwird sich vom Rathausplatz über den Ring bis zum Heldentor erstrecken. Rund 120.000 Menschen sollen sich auf den 1,2 Kilometern verteilen, zehn Großbildschirme sind geplant. Salzburg will den gesamten Residenzplatz zur Fanzone machen. Auch auf dem Mozartplatz werden die Spiele übertragen. Der Kapitelplatz dient als Reserve- bzw. Auffangzone. Mit ebenfalls 20.000 Besuchern pro Spieltag rechnet Klagenfurt auf der Fanmeile im Messegelände nahe des Stadtzentrums. Bis zu 15.000 Menschen fasst die Bergisel-Arena, die größte der Innsbrucker Fanzonen.
Weiter: Sicherheit: Wer darf kommen?
Wer darf kommen? Früher nach Haus oder gleich
frei nehmen, um rechtzeitig
zum Anpfiff im Stadion oder
vorm Fernseher zu sitzen? Die
27.000 Polizistinnen und Polizisten
in Österreich haben diese
Wahl nicht. Für die Dauer
der EURO 2008 herrscht Urlaubssperre.
Um die Fußball-
EM sicher über die Runden zu
bringen, werden sogar neue
Gesetze geschaffen.
Jedes Teilnehmerland darf
Exekutivbeamte entsenden,
die deutsche Polizei erhält volle
Hoheitsbefugnis. Eine Präventivhaft
für verdächtige
Subjekte wird es in Österreich
nicht geben, der Vorschlag
von Innenminister Günther
Platter (ÖVP), dass sich vorbestrafte
(und deshalb amtsbekannte)
Hooligans bei der Polizei
melden müssen, ist aber
noch nicht vom Tisch. Justizministerin
Maria Berger (SPÖ)
wiederum will den Tatbestand
des Raufhandels verschärfen,
umschon die Teilnahme an einer
Schlägerei automatisch
unter Strafe zu stellen.
Die Schengener Reisefreiheit
wird nicht dauerhaft, sondern
jeweils dem Spielplan
entsprechend aufgehoben. Mit
der Schweiz (noch nicht
Schengenland) wurde vereinbart,
dass für Österreich ausgestellte
Visa auch im Partnerland
gelten. Eine gemeinsame
militärische Luftraumüberwachung
ist wegen der heimischen
Eurofighter-Causa noch
nicht ausgearbeitet. Zuletzt
hat der Kommandant der
Schweizer Luftwaffe, Walter
Knutti, im Interview mit dem
Standard Druck gemacht. Weiter: TV-Rechte: ORF oder was? ORF oder was? „Uns treibt ja nichts“: ORFSprecher
Pius Strobl demonstriert
Gelassenheit, spricht
man ihn auf die Fernsehrechte
an der EURO 2008 an. Die
Anstalt streitet seit Monaten
mit der UEFA über den Preis.
Die UEFA verlangt wie berichtet
rund 18 Millionen Euro
für die Rechte: fast das Doppelte
als der ORF für die WM
in Deutschland zahlte. Mehr
als das Doppelte der sieben
Millionen, die EM-Gastgeberland
Nummer 2, die Schweiz,
zahlt. In die Größenordnung
wünscht sich der ORF.
Sein Haus könne notfalls
auch am Vortag der Europameisterschaft
in Österreich
und der Schweizmit derUEFA
abschließen, sagt Strobl: „Wir
produzieren ja nicht.“ Das tut
der Fußballverband inzwischen
selbst, der ORF würde
nur das Signal übernehmen.
ATV sieht er offenbar nicht als
ernst zu nehmenden Konkurrenten
um die Rechte.
Bei der WM 2002 in Japan
und Südkorea unterzeichnete
der ORF preisschonend Tage
vor Beginn. Japan und Südkorea
sind für ihn naturgemäß
weniger bedeutende Austragungsorte
als Österreich.
„Für uns ist das Thema weniger
heikel als für den Fußball
an sich“, sagt Strobl. Die
Stimmung im Land für das
Event befördere vor allem der
ORF – je früher, desto besser.
Bürgerliche ORF-Stiftungsräte
haben die Probleme mit
der EURO schon auf die Tagesordnung
des ORF-Aufsichtsgremiums
kommende Woche reklamiert. Weiter: Ticketing: Lotterie oder Auktion? Lotterie oder Auktion? Glück oder Geld. Diese beiden
Möglichkeiten gibt es noch,
um bei der EURO ein Spiel in
einem der acht Stadien mitverfolgen
zu können. 1,05Millionen
Eintrittskarten stehen
zur Verfügung. Bei der Ticketlotterie
der UEFA im April
wurden rund 350.000 davon
verlost – unter 8,7 Millionen
Bewerbungen. Wer damals
kein Glück hatte, muss bis
zum Jahreswechsel warten:
Dann wird der ÖFB nämlich
bekannt geben, wie er sein
Kontingent unter das Volk
bringt.
Rund 20 Prozent der Plätze
jedes Stadions sind für die nationalen
Fußballverbände reserviert,
im Falle des Wiener
Ernst-Happel-Stadions also
rund 10.000 Stück. Nach derzeitigem
Stand wird es für
Nicht-ÖFB-Mitglieder eine
neue Lotterie geben, bei der
man auf sein Glück setzen
kann beziehungsweise muss.
Wer sich darauf nicht verlassen
will, braucht reichlich
Geld. Auf der Internetauktionsseite
Ebay liegt das Höchstgebot
für zwei Sitzplätze beim
Finale in Wien derzeit bei
mehr als 2000 Euro. Weiter: Verkehr: Wem graut wovor? Wem graut wovor? Die Öffis sollen es richten.
Und Stauzeiten sowie CO2-
Ausstoß so kurz und niedrig
wie möglich halten. Sowohl in
Österreich als auch in der
Schweiz dürfen Besitzer von
Eintrittskarten in die Stadien
daher 36 Stunden lang die jeweiligen
Bundesbahnen und
die öffentlichen Verkehrsmittel
der Host-Cities gratis benutzen.
Während die Schweiz
(die 80 Prozent des Fußballnah-
und 60 Prozent des -fernverkehrs
öffentlich abwickeln
will) auch kartenlosen Fans
vergünstigteTarife bietet, denken
die ÖBB noch über ein solches
Angebot nach. In Österreich
rechnet man generell mit
höherem Autoanteil am Verkehr,
konkrete Konzepte über
dessen Bewältigung in den
Städten werden noch präsentiert.
Wobei viel davon abhängt,
welches Team wo
spielt: Klagenfurt etwa graut
mobilitätsmäßig vor Italien,
Innsbruck vor Deutschland. Weiter: Stadien: Was wird wann fertig? Was wird wann fertig? Happel-Stadion, Wien (50.000
Zuseher): Sieben EM-Partien,
darunter das Finale. 36,9 Mio.
Euro werden in die 75 Jahre
alte Arena investiert.Von zwei
Leinwänden (700.000 Euro)
verbleibt eine nach der EM im
Stadion. Übergabe an die
UEFA: 10. Mai 2008.
Innsbruck (30.000): wurde
im September 2000 eingeweiht,
kostete 23,2 Mio. Euro,
nun kommen Um- und Rückbau
nach der EURO auf 30,6
Millionen. Soll Ende September
spielbereit sein.
Salzburg (30.900): auf den
Kunst- wird zur EM ein Naturrasen
gelegt (200.000 Euro),
Gesamtkosten 20 Mio. Euro.
Offen ist, ob man nach der
EURO wieder rückbaut. Geplante
Eröffnung: Ende Juli.
Klagenfurt (32.000): Neubau,
kostet 66 Mio. Euro, soll
im August fertig sein. Rückbau
auf 12.000 Zuseher geplant,
aber nicht sicher. Verkehrskonzept
wird erst präsentiert. Weiter: Sportliches: Wer darf eigentlich mitspielen? Wer darf eigentlich mitspielen? In der Mannschaft sind einige
Plätze frei (elf wäre gemein
und übertrieben), jede Verstärkung,
speziell im Sturm,
ist Teamchef Josef Hickersberger
willkommen. 2007 hat
Österreich noch kein Testspiel
gewonnen, es gab drei Remis
(1:1 Malta, 1:1 Ghana, 0:0 Paraguay)
und zwei Niederlagen
(0:1 Frankreich, 0:1 Schottland).
Heuer sind sieben weitere
Versuche geplant. Der
nächste Einsatz erfolgt am 22.
August im Happel-Stadion gegen
Tschechien.
Um den wohl arbeitsintensiven
Platz im österreichischen
Tor streiten friedlich
drei Kandidaten (Macho, Manninger,
Payer), als Fixstarter
gelten derzeit: Standfest,
Stranzl, Aufhauser, Leitgeb
und Kapitän Ivanschitz. Vom
System her drängt sich das international
übliche 4-4-2 auf,
wobei die Suche nach den
zwei Angreifern schwierig ist. Weiter: Kulturelles: Alles Theater? Alles Theater? Zu schönsten Hoffnungen,
aber auch zu ärgsten Befürchtungen
geben die bisher eher
rudimentären Planungen in
diesem Bereich Anlass. Gerüchte
über ein EURO-Duett
von DJ Ötzi und DJ BoBo sind
ebenso im Schwange wie über
ein EURO-Lied der Gruppe
Opus. Rund 180 tatsächliche
kulturelle Projekte wurden
dem Verein „Österreich am
Ball“ vorgelegt, der auswählt,
aber dafür nur eine Million
Euro zur Verfügung hat. Die
Stadt Wien hat gar kein eigenes
EURO-Kulturbudget.
Fixiert sind nur einige wenige
Projekte wie die Literaten-
EM mit Kickerln und Lese-
Marathons, eine Ausstellung
im Wiener Künstlerhaus zur
Geschichte des europäischen
Fußballs oder die Fußball-
Oper „Playing Away“, die
schon im August bei den Bregenzer
Festspielen unter Intendant
David Pountney zur
Aufführung kommt. Weiter: Geschäftliches: Kosten? Nutzen? Kosten? Nutzen? Kumuliert 6000 Vollzeit-Jobs
mehr, Erhöhung des Bruttoinlandsprodukts
um 0,15 Prozent,
Wertschöpfungseffekte
in Höhe von 321 Millionen
Euro. Die Prognosen verheißen
das große Geschäft, sind
aber mit Vorsicht zu genießen.
Die WM 2006 in Deutschland
hatte nicht die erhofften wirtschaftlichen
Effekte, vom Tourismus
abgesehen.
Die Kosten stehen ebenfalls
noch nicht fest. Der Bund budgetiert
mit 133 Millionen Euro
(bis 75 Millionen für Stadien).
Hinzu kommen die noch nicht
abschätzbaren Kosten für die
erhöhten Sicherheitsvorkehrungen.
Die Aufwendungen
der Austragungsstädte sind je
nach Umfang der infrastrukturellen
Maßnahmen unterschiedlich.
In Wien hat man
einen Gesamtwert aller UEFALeistungen
von 12,5 Millionen
Euro errechnet, dem Kosten
von rund acht Millionen gegenüberstehen
sollen. (DER STANDARDPrintausgabe 06.06.2007)