In der Türkei mehren sich die Anzeichen, dass das Militär demnächst seine Drohung war machen könnte und eine größere Operation im Nordirak startet. Am Mittwochnachmittag hatten kurdische Quellen bereits den Beginn einer Invasion gemeldet, was aber später nicht nur vom türkischen Militär, sondern auch von der kurdischen Regionalregierung im Nordirak dementiert wurde. Tatsächlich, so ein Militärsprecher, habe es sich um eine begrenzte Operation gehandelt, bei der türkische Truppen in Verfolgung von "Terroristen" zeitweilig die Grenze überschritten hätten.

Am Donnerstag wurden dann drei an den Nordirak angrenzende Provinzen zu Sicherheitszonen erklärt, in denen zunächst bis in den September eine Art Ausnahmezustand eingeführt wird.

Dementi

Ebenfalls am Donnerstag erklärte Ministerpräsident Tayyip Erdogan, die Regierung werde ohne Zustimmung des Parlaments keine Erlaubnis für eine Militäroperation im Nordirak geben, und bislang sei nicht daran gedacht, das Parlament deshalb zusammenzurufen.Er dementierte damit Berichte über einen angeblichen Einmarsch türkischer Soldaten, die am Mittwochabend aufgekommen waren. Die türkische Armeeführung hat sich wiederholt für einen Militärschlag gegen Lager der illegalen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) im Nachbarland ausgesprochen, dafür aber eine politische Entscheidung gefordert Außenminister Gül beklagte sich in dem Gespräch erneut, dass weder die irakischen Kurden noch die amerikanischen Besatzungstruppen die PKK daran hindern würden, vom Nordirak aus Terroranschläge in der Türkei durchzuführen.

Die grenzüberschreitende Operation am Mittwoch war eine Reaktion auf einen Selbstmordanschlag in Tunceli gewesen, bei dem ein PKK-Militanter mit einem bombenbeladenen Auto in einen Gendarmerieposten raste und dabei sieben Rekruten tötete. Die Beerdigungen der Soldaten in verschiedenen Städten des Landes wurden zu Massendemonstrationen gegen die PKK und zeigten deutlich, dass die Emotionen in der türkischen Bevölkerung drastisch zunehmen.

Fast gelyncht

Erst einen Tag zuvor waren zwei kurdische Bauarbeiter, die auf ihrem T-Shirt ein Bild des kurdischen Sänger Ahmet Kaya trugen, von einer aufgebrachten Menge in der westtürkischen Stadt Sarkaya fast gelyncht worden, weil man sie für Sympathisanten der PKK hielt. Die Stimmung ist derzeit derart aufheizt und wird von den Medien durch entsprechende Berichte auch noch weiter so geschürt, dass die Mehrheit der türkischen Bevölkerung wohl einen Angriff der Armee auf den Nordirak unterstützen wurde.

Generalstabschef Yasar Büyükanit hat in den letzten Wochen bereits mehrfach öffentlich bekräftigt, dass die Armee zu einem Einmarsch bereit sei. Büyükanit hat der Regierung praktisch vorgeworfen, ihnen kein grünes Licht zu geben. Etliche Truppen sind bereits an die irakische Grenze verlegt worden.

Wasser auf die Mühlen Der immer heftiger aufflammende Krieg zwischen der separatistischen PKK und der türkischen Armee ist Wasser auf die Mühlen der Nationalisten bei den bevorstehenden Wahlen. Schon einmal war die rechtsradikale MHP bei Wahlen zweitstärkste Partei geworden, nachdem im Jahr 1999 die Verfolgung und schließliche Festnahme von PKK-Chef Abdullah Öcalan die öffentliche Debatte monatelang bestimmt hatte.

Auch jetzt sagen die türkischen Wahlforscher voraus, dass bei den Wahlen im Juli neben der regierenden AKP und der zurzeit alleinigen oppositionellen CHP sehr wahrscheinlich auch noch die MHP die Zehnprozenthürde überspringen wird. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul/DER STANDARD, Printausgabe, APA/dpa 8.6.2007)