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Nach Martys Angaben hatten unter anderem der frühere und der jetzige Staatspräsident Rumäniens, Ion Iliescu und Traian Basescu, sowie der damalige polnische Präsident Aleksander Kwasniewski von den Gefängnissen des US-Geheimdienstes auf ihrem Territorium gewusst.

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Straßburg/Wien - Der Europarats-Ermittler zur CIA-Affäre, Dick Marty, wirft der damaligen Staatsführung Polens und Rumäniens Mitwisserschaft über Geheimgefängnisse des US-Geheimdienstes in Europa vor. Zudem gebe es nun neue Beweise, dass es zwischen 2002 und 2005 auf dem Boden der beiden europäischen Länder Gefängnisse für von den USA festgehaltene mutmaßliche Terroristen gegeben habe. Der Schweizer Ermittler präsentiert seinen neuen Bericht, der der APA vorliegt, am Freitagnachmittag in Paris.

Nach Martys Angaben hatten unter anderem der frühere und der jetzige Staatspräsident Rumäniens, Ion Iliescu und Traian Basescu, sowie der damalige polnische Präsident Aleksander Kwasniewski von den Gefängnissen des US-Geheimdienstes auf ihrem Territorium gewusst. Auch die Verteidigungsminister und der Militärgeheimdienst beider Länder seien eingeweiht gewesen. Marty beruft sich dabei auf die Ergebnisse zahlreicher Gespräche, die seine Mitarbeiter in Polen und Rumänien geführt hatten.

Unmenschliche Behandlung

In den Geheimgefängnissen der CIA in Osteuropa sind Terror-Verdächtige nach Martys Bericht unmenschlichen Behandlungen ausgesetzt worden. Gefangenen sei von ihren vermummten Wächtern bei ihrer Ankunft die Kleidung oft zerrissen oder ganz vom Leib gerissen worden, heißt es in der am Freitag veröffentlichten Untersuchung unter Berufung auf ehemalige Häftlinge. Einige von ihnen hätten Monate auf kleinstem Raum in Isolationshaft und teils angekettet oder mit Handschellen verbringen müssen. Dem Bericht zufolge hatten Polen und Rumänien CIA-Geheimgefängnisse beherbergt.

Mehrfach berichteten Ex-Gefangene laut dem Bericht, dass ihre Zellen entweder überheizt oder per Klimaanlage auf eisige Temperaturen gekühlt wurden. Zum Schlafen hätten sie nur alte Decken bekommen, die teils viel zu klein waren, um den Körper zu bedecken. Die Nahrung sei oft roh gewesen. In einigen Fällen seien die Gefangenen ständigem Lärm wie dröhnender Musik oder besonders hohen oder tiefen Dauertönen ausgesetzt gewesen, so dass sie nicht schlafen konnten. Teils seien über die Lautsprecher entstellte Koran-Verse wiedergegeben worden oder irritierende Geräusche wie Donner, Lärm von startenden Flugzeugen oder das Schreien von Frauen und Kindern.

NATO-Abkommen

Der Bericht bringt diese enge Zusammenarbeit mit einem NATO-Abkommen in Verbindung, bei dem die USA im Oktober 2001 mit den anderen Ländern der Allianz eine Vereinbarung über weit reichende Hilfestellungen beim "Krieg gegen den Terror" getroffen habe. Laut Europarats-Bericht ist dieses in Teilen geheime Abkommen vermutlich eine der Grundlagen für die CIA-Operationen in Europa gewesen.

Der Bericht macht auch ausführliche Angaben über den Ablauf dieser Aktionen. Flugzeuge mit Gefangenen, die meist aus der afghanischen Hauptstadt Kabul ausgeflogen wurden, seien auf dem nordpolnischen Flughafen Szymany oder auf dem Mihail-Kogalniceanu-Flughafen am Schwarzen Meer gelandet. In dieser Gegend Südost-Rumäniens habe das Land auf US-Bitte gar eine "Sicherheitszone" eingerichtet, in dem die US-Geheimdienste tun konnten, was sie wollten, heißt es in dem Bericht weiter. In Polen seien die Gefangenen wiederum von Szymany aus auf den nahe gelegenen Stützpunkt Stare Kiejkuty des polnischen Geheimdienstes gebracht und dort festgehalten worden.

US-Aktion

Sämtliche Aktionen seien ausschließlich von US-Amerikanern durchgeführt worden. Polnische und rumänische Augenzeugen für das Aussteigen von Gefangenen aus den Flugzeugen und deren Abtransport gebe es daher nicht, räumt der Bericht ein.

Länder weisen Vorwürfe zurück

Die Vorsitzende des rumänischen Parlamentsausschusses, der die Vorwürfe untersucht hatte, Senatorin Norica Nicolai, sagte, Martys Bericht enthalte keine Beweise, sondern nur "Improvisationen" und "peinliche Spekulationen". Nicolai ist Politikerin der mitregierenden Nationalliberalen Partei (PNL).

Sergiu Medar, früherer Sicherheitsberater Basescus, dem im Marty-Bericht ebenfalls Mitwisserschaft vorgeworfen wird, wies den Bericht ebenfalls zurück. Er sei zu dem im Bericht erwähnten Zeitpunkt nicht in Kogalniceanu gewesen. Marty habe nicht mit ihm gesprochen. Ein Beweis für Martys "mangelnden Professionalismus" sei, dass dieser die Tatsache, dass Medar früher Militärattaché an der rumänischen Botschaft in Washington war, als neuen Beweis darstelle, sagte Medar.

Von der sozialistischen Oppositionspartei PSD verlangte deren Generalsekretär Titus Corlatean, dass der rumänische Staat alles tun möge, um die "schweren Anschuldigungen" aus dem Marty-Bericht zu entkräften, die Rumänien "schweren Schaden zufügen" könnten.

"Wir warten auf Beweise"

Die polnische Regierung bleibt dabei, dass es in Polen keine geheimen Gefängnisse und Verhörzentren des amerikanischen Geheimdienstes CIA gegeben hat. "Es gab keine geheimen Zentren in Polen", sagte Robert Szaniewski, der Sprecher des polnischen Außenministeriums, am Freitag der polnischen Nachrichtenagentur PAP.

"Wir warten auf weitere Einzelheiten, wir warten auf Beweise", sagte der Ministeriumssprecher zum neuen Bericht des Europarates, in dem schwere Vorwürfe gegen Polen und Rumänien erhoben werden. Der Schweizer Senator Dick Marty habe als Berichterstatter des Europarates bereits in der Vergangenheit Polen beschuldigt, CIA-Geheimgefängnisse erlaubt zu haben, sei aber Beweise schuldig geblieben.

Deutschland und Italien hatten Praktiken behindert

Deutschland und Italien haben Ermittlungen des Europarats zufolge die Aufklärung der CIA-Geheimtransporte von Terror-Verdächtigen behindert. Ebenso wie Rom habe Berlin die entscheidenden Vorgänge zum Staatsgeheimnis erklärt und damit die Ermittlungen erschwert, heißt es in dem Abschlussbericht des Sonderermittlers des Europarats zu den US-Geheimflügen, Dick Marty. Der Bericht sollte am Freitag in Paris offiziell vorgestellt werden.

Marty warf der deutschen Regierung vor, die Aufklärung solcher illegalen Praktiken erschwert zu haben, um Ermittlungen der Justiz zu verhindern. Der Ermittler kritisierte die europäischen Regierungen zudem, diese hätten das US-Vorgehen kritiklos hingenommen. Dabei seien die in den CIA-Geheimgefängnissen angewendeten Verhörmethoden Folter gleichgekommen.

Die deutsche Regierung wies die Vorwürfe Martys am Freitag zurück. Der Schweizer Ermittler sei jeden Beweis dafür schuldig geblieben, sagte ein Regierungssprecher in Berlin. Er habe sich lediglich auf Vermutungen und Spekulationen gestützt. Die deutsche Regierung habe keine eigenen Erkenntnisse, wonach Gefangenentransporte über Deutschland stattgefunden hätten. Die US-Regierung hatte die Geheimflüge von Verdächtigen im Ausland eingeräumt, die Foltervorwürfe der Opfer jedoch zurückgewiesen.

Erster Bericht

In seinem ersten Bericht, der im Juni vergangenen Jahres veröffentlicht worden war, hatte Marty 14 Länder in Europa beschuldigt, bei der Verschleppung von Terrorverdächtigen mit dem US-Geheimdienst zusammengearbeitet oder dessen Aktivitäten geduldet zu haben. Österreich wurde in dem Bericht nicht erwähnt. Im September gaben die USA die Existenz von Geheimgefängnissen außerhalb ihres Staatsgebietes zu.

Nichts gewusst

Die US-Regierung hat die Geheimflüge von Verdächtigen im Ausland eingeräumt, die Foltervorwürfe der Opfer jedoch zurückgewiesen. Deutschland hat bekräftigt, von US-Geheimflügen zum Transport Terrorverdächtiger ins Gefangenenlager Guantanamo nicht gewusst zu haben. (APA)