Vierzig Jahre nach dem Sechstagekrieg scheint der Frieden zwischen Israelis und Palästinensern weiter entfernt denn je. Israel weigert sich immer noch, die neue palästinensische Regierung der nationalen Einheit als Verhandlungspartner anzuerkennen, weil die Hamas an dieser Regierung beteiligt ist. Was ist der Grund für dieses scheinbare Paradox? Gibt es überhaupt Hoffnung?

Die palästinensische Regierung ist administrativ vereint, politisch jedoch geteilt: Palästinas Premierminister Ismail Hanija ist nach wie vor gegen die Anerkennung Israels und erklärte, dass er für die Fortsetzung des Widerstands in jeder Form sei. Wie kann man bei einer solchen Haltung für eine aufrichtige Bemühung garantieren, ein Friedensabkommen zu erreichen?

EU

Diese Frage muss sich auch die EU stellen, während sie darüber debattiert, ob sie ihre finanziellen Hilfsleistungen an die Palästinensische Autonomiebehörde wiederaufnehmen soll. Die EU sollte der Hamas deutlich machen, dass sie keinen Terror finanzieren wird und auch nicht die Weigerung, Frieden zu schließen. Wenn die Palästinenser europäische Hilfe wollen, was ich vollkommen unterstütze, so muss das Land dazu bereit sein, Frieden zu schließen, und nicht den Frieden zu brechen. Im Prinzip ist nicht die Hamas als Partei anstößig sondern die Politik und die Ziele, die die Hamas verfolgt. Wir haben nichts gegen die Hamas; aber wir sind gegen ihre kriegerische Politik, die sich auch durch ihre Beteiligung an der Regierung nicht geändert hat.

PLO wie Hamas

Früher einmal vertrat die PLO dieselben Ansichten wie die Hamas. Dann hat sich die PLO gewandelt. Wenn die aktuelle palästinensische Führung ihre Haltung ändert, gibt es von unserer Seite aus kein Problem mehr. Wir haben dann nichts gegen Verhandlungen. Wir sind für Verhandlungen. Wir sind für die „Zweistaatenlösung“. Wir akzeptieren die „Roadmap“ für den Nahen Osten. Wogegen wir sind, ist Terror. In einem Punkt können wir jedoch nicht zustimmen, und das ist das „Rückkehrrecht“ für Palästinenser. Wenn ein solches Recht anerkannt würde, gäbe es eine palästinensische anstelle einer jüdischen Mehrheit, und das würde das Ende des jüdischen Staates bedeuten. Es handelt sich dabei um eine demografische und nicht um eine politische Frage: Ein arabischer Staat ist dort, wo die Araber in der Mehrheit sind, und der jüdische Staat ist dort, wo die Bevölkerungsmehrheit jüdisch ist. Tatsächlich widerspricht das „Rückkehrrecht“ geradezu der Idee einer Zweistaatenlösung, da es die Schaffung eines Staates bedeuten würde – eines palästinensischen Staates. Niemand in Israel wird das hinnehmen.

Andere Probleme

Doch gibt es in der Region andere Probleme, denen sich Israel – und die Welt – zuwenden muss. Die aktuelle palästinensische Einheitsregierung kam durch saudische Vermittlung zustande, die vor allem eine Antwort auf die Ambitionen des Irans waren, seinen Einfluss nicht nur im Irak, sondern auch im Libanon, Gazastreifen und Westjordanland auszuweiten. Der anhaltende Kampf zwischen Sunniten und Schiiten in der muslimischen Welt erinnert an den Streit zwischen Protestanten und Katholiken im Europa des 17. Jahrhunderts. Daher ist es kaum verwunderlich, dass Saudis, Jordanier, Ägypter und die Golfstaaten versuchen, Widerstand gegen die iranischen Hegemonieambitionen in der Region zu leisten. Trotzdem steht viel mehr auf dem Spiel als im 17. Jahrhundert, weil der Iran eine gefährliche Kombination aus fanatischer Religion und der festen Absicht darstellt, in den Besitz von Atomwaffen zu gelangen. Tatsächlich ist der Iran das einzige Land, das offen seinen Wunsch deklariert, ein anderes UN-Mitglied zu vernichten. Wenn der Präsident eines Landes irrsinnige Reden hält, den Holocaust abstreitet und seine Ambitionen, den Nahen und Mittleren Osten unter seine Kontrolle zu bringen, nicht verbirgt, wer kann da noch garantieren, dass es sich um keine ernsthafte Bedrohung handelt?

Atomare "Gleichgewicht"

Es geht nicht darum, das atomare „Gleichgewicht“ im Nahen und Mittleren Osten wiederherzustellen, wie die iranischen Machthaber behaupten. Erstens bedroht Israel niemanden. Israel hat nie gesagt, dass es den Iran vernichten will, und Israel hat niemals offen verkündet, dass es Uran anreichern und Atombomben bauen wolle, um ein anderes Land zu zerstören. Im Gegenteil, Israel hat gesagt, dass es nicht der Erste sein wird, der Kernwaffen im Nahen Osten einsetzt. Das heißt aber nicht, dass wir es uns leisten können, Drohungen von Ländern zu ignorieren, die uns vernichten wollen.

Stabilisierung

Trotz der ungünstigen aktuellen Situation führt der Weg zu einer Stabilisierung des Nahen Ostens immer noch über gemeinsame wirtschaftliche Projekte. Selbst jetzt plant Israel den Bau eines neuen „Friedenskorridors“, an dem die Jordanier, die Palästinenser und wir beteiligt sein werden. Im Rahmen dieses Projekts werden wir versuchen, das Austrocknen des Toten Meers zu stoppen, einen gemeinsamen Flughafen sowie ein gemeinsames Wassernetz mit Jordanien zu bauen und die touristische Infrastruktur weiterzuentwickeln, was bis zu 5 Mrd. US-Dollar kosten kann. Wir haben die Geldgeber, es gibt also kein Finanzierungsproblem für unsere Bemühungen

Israel will und braucht dringend Frieden und Stabilität im Nahen Osten, weshalb wir auch weiterhin alles in unserer Macht stehende tun werden, um dies zu erreichen. Aber wir können dieses Ziel nicht allein erreichen und noch viel weniger mit denjenigen verhandeln, in deren Vorstellungen eines stabilen und friedlichen Nahen Ostens kein Platz für Israel ist. (Shimon Peres, DER STANDARD, Printausgabe, 9.6.2007)