Graz – Von wegen altmodischer Stoff, sperrige Dramaturgie, formelhafte Musik. Natürlich mutet La clemenza di Tito nach Le Nozze di Figaro wie ein Anachronismus an. Aber man vergleicht hier Äpfel mit Birnen. Sinn macht es, das Werk nicht im Kontext mit früheren Da-Ponte-Opern zu betrachten, sondern eben als kaiserlich beauftragte Inthronisationsoper im Stile der damals schon in die Jahre gekommenen "opera seria". Jede szenische Auseinandersetzung mit dem Titus bedingt ein Abwägen dieser Begebenheiten.

Sie zu entkräften, um das Werk neu erfinden zu wollen, wäre ebenso kurzsichtig wie sie unreflektiert zu bedienen und so zu sagen nur den Historienschinken herauszuschälen. Vielleicht hätten sich Regisseur Michael Sturminger und sein Ausstattungsteam (Renate Martin/Andreas Donhauser) für einen Mittelweg entscheiden sollen.

Der hätte im schlimmsten Fall im Seichten enden können und dem Leading Team bloß Einfallslosigkeit attestiert. Aber nachdem das Ganze ja schließlich als szenische Produktion angekündigt wurde und Sturminger angeblich auch eine Regiegage kassiert hat, mutet es geradezu fahrlässig an, wenn er sich dann doch für eine konzertante Aufführung mit Requisiten entschied. Denn das Einzige, was sich in dieser "Inszenierung" nachhaltig bewegt, ist die Drehbühne. Ansonsten: Herumstehende Protagonisten an der Rampe – dort ist es am sichersten! Lange hat man keine so belanglose Produktion mehr gesehen! Immerhin tröstet eine exzellente musikalische Darbietung über diese Verfehlungen hinweg. Etwa Stephanie Houtzeel als Sextus. Sie verleiht dieser höllenschweren Partie Eloquenz und geht emotional an die Grenzen der Leidensfähigkeit.

Ihr zur Seite eine ebenfalls große dramatische Akzente setzende Tamar Iveri als intrigant-rasende Vitellia. Mehr als nur rollendeckend auch Margareta Klobucar und Jutta Panzenböck als lyrisches Gegenpaar Servilia und Annius. Angesichts solch geballter Damenkraft hat der mit tenoralen Ungenauigkeiten zu kämpfende Lette Aleksandrs Antonenko in der Titelrolle keinen leichten Stand. Bei ihm machten sich Defizite einer Personenregie am deutlichsten bemerkbar.

Von Michael Hofstetter am Pult des gut disponierten Grazer Philharmonischen Orchesters hätte man einen packenderen Zugriff gewünscht. Ein Titus ohne Mut für die Ausbrüche in diesem Klangpsychogramm klingt zu brav. (Peter Stalder, DER STANDARD/Printausgabe, 12.06.2007)