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Nicolas Sarkozy beim Händedrücken mit den französischen Stimmbürgern.

Foto: Reuters/Tessier
Nicolas Sarkozy triumphiert auch bei den Parlaments-wahlen: Seine Rechtspartei UMP könnte am kommenden Sonntag bis zu 500 der 577 Sitze erobern.

Blau, blau, blau blüht in Frankreich nicht nur der Enzian, sondern die ganze politische Landschaft. Karikaturen malen in dieser Farbe auch die einst rot-weiß-blaue Nationalflagge, nachdem die bürgerliche – das heißt in Frankreich blaue – „Union für eine Volksbewegung“ (UMP) den ersten Durchgang der Parlamentswahlen klar für sich entschied. „Die Franzosen wollen den Wechsel – und rasch“, resümiert die konservative Zeitung Le Figaro das klare Plebiszit für die Partei von Staatschef Nicolas Sarkozy, der im Mai mit dem Versprechen massiver Reformen ins Elysée gewählt worden war.

Le Monde vergleicht den Wahltriumph der Rechten mit dem historischen Wahlsieg der Linken unter François Mitterrand 1981. Nach dem vorläufigen Endergebnis erreicht die UMP 39,5 Prozent der Stimmen, die Sozialisten (PS) kommen auf 24,7 und die Mittepartei MoDem auf 7,6 Prozent. Alle anderen Parteien liegen unter fünf Prozent. 109 Bürgerliche und ein Sozialist haben die Wahl im ersten Anlauf geschafft; darunter auch einige Minister wie Regierungschef François Fillon, der als „Wahltest“ ein Direktmandat anstrebte, es aber nicht selber ausüben wird. In den meisten übrigen Wahlkreisen stehen nun klassische Rechts-links-Duelle an. Nur ganz selten kommt es noch zu den bisher üblichen Dreiecks-Konstellationen, bei denen der Front National Zünglein an der Waage spielt.

Die rechtsextreme Partei von Jean-Marie Le Pen erhielt nur noch 4,3 Prozent der Stimmen. Damit verliert sie die Rolle des politischen Schreckgespenstes, die sie ein Vierteljahrhundert lang spielen konnte. Marine Le Pen, die Tochter des 79-jährigen Parteichefs, hat als einzige „Frontistin“ Chancen, im zweiten Durchgang am kommenden Sonntag in ihrem Wahlkreis zu gewinnen.

Ein Einbruch

Einen ähnlichen Einbruch erlebt die Mittepartei „Mouvement Démocrate“ von François Bayrou. Die drittstärkste Partei hat nur in einer Hand voll Wahlkreisen Siegeschancen und wird ein Opfer des gnadenlosen Mehrheitswahlsystems, das in jedem Wahlkreis den bestplatzierten Kandidaten in die Nationalversammlung entsendet. Bayrou selbst dürfte die Wahl in den Pyrenäen schaffen; doch sein Mitstreiter Charles Napoléon scheidet beispielsweise in Fontainebleau mit neun Prozent der Stimmen schon im ersten Wahlgang aus.

Dass sowohl die Rechte und die Linke um die Stimmen der ausgeschiedenen MoDem-Kandidaten buhlten, ist für sie nur ein kleiner Trost. Die Sozialistin Ségolène Royal und Ex-Premier Jean-Pierre Raffarin (UDF) boten dem MoDem lokale Allianzen an, erhielten aber vorläufig keine Antwort. Auch Kommunisten (4,3 Prozent) und Grüne (3,2 Prozent) werden wohl nur noch ein paar Abgeordnete nach Paris entsenden und die Fraktionsstärke verpassen. Wahrscheinlich haben bloß sechs Kandidaten schwarz- oder nordafrikanischer Herkunft Chancen auf einen Sitz in der 577-köpfigen, bisher ausschließlich „weißen“ Nationalversammlung.

Umso massiver werden die UMP-Kandidaten absahnen. Nach ersten Projektionen dürften sie zwischen 383 und 501 Abgeordnete stellen. Seit dem letzten Wahlsieg von 2002 belegten sie 359 Sitze. Die Sozialisten dürften in etwa bei ihren 149 Sitzen bleiben. Sie wahren fast nur noch im Südwesten ihre Bastionen; frühere linke Hochburgen wie die Hafenstadt Marseille oder der industrialisierte Norden sind nun auch „blau“ geworden.

Wie auch immer die noch offenen Wahlkreis-Duelle zwischen UMP und PS im Einzelfall ausgehen werden – eines steht schon jetzt fest: In der Nationalversammlung werden in den nächsten fünf Jahren fast nur noch zwei Parteien vertreten sein – mit klaren Machtverhältnissen: rund drei Viertel Bürgerliche, ein Viertel Sozialisten. Die kommunistische Humanité sieht darin aus verständlichen Gründen eine „politische Verarmung“.

Gravierender ist die Unterordnung der Nationalversammlung unter den Willen des Staatschefs. Sarkozy lässt keinen Zweifel zu, dass er die UMP-Kohorten befehligen wird: Er duldet nicht einmal, dass seine Partei einen eigenen Vorsitzenden bestimmt, der ihm womöglich gefährlich werden könnte. (Stefan Brändle aus Paris/DER STANDARD, Printausgabe, 12.6.2007)