Auf der Dampflok der Schmalspurbahn von Maramures steht wörtlich: "Maximale Flinkheit 15 km pro Stunde."

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Rumänien-Liebhaber Erich Bernard: "Die Authentizität bewahren."

Die einzige Frage zu Rumänien, die Erich Bernard ein wenig in Verlegenheit bringt, ist, wie oft er schon dort war. Der 42-jährige Wiener befand sich jüngst mit Freunden und seinen beiden Partnern vom Architekturbüro BWM auf einer Rumänien-Tour, die von der nördlichen Region Maramures bis nach Sibiu/Hermannstadt in Zentralrumänien führte. Es ist die Unbestimmtheit, die diesem Raum eine einzigartige Offenheit verleiht, die ihn fasziniert. Vor Jahren wurde er in Rumänien verhaftet, weil er ein Militärgelände fotografiert hatte. Nach Kaffeegeschenken und stundenlangem Radebrechen endete das Abenteuer dann mit der herzlichen Einladung des Polizisten, unbedingt bald wiederzukommen.

Die Einladung hat er mittlerweile mindestens zwölfmal angenommen. "Rumänien ist völlig anders als westeuropäische Gewohnheiten, daher ist jeder Moment ein Erlebnis."

Extra für die österreichischen Gäste hält die Dampflokomotive direkt vor der Tür der Holzhütte, in der sie übernachtet haben. In aller Frühe, denn eigentlich transportiert der Zug keine westlichen Touristen durch die dichten Wälder der Nordkarpaten, sondern Forstarbeiter, die im Wassertal das Holz fällen, das die Waldbahn dann zur Fabrik bei Viseu de Sus befördert. Es ist eine "völlig andere Geschwindigkeit und Zeitstruktur", die Bernard hier findet, und da auch die Broschüre davor warnt, dass "kein Anspruch auf bestimmte Beförderungsleistung und Fahrzeiten" besteht, kann der Zug auch auf die allerletzten verschlafenen Nachzügler warten. Kolonisten aus Oberösterreich hatten zur Zeit, als Siebenbürgen noch zu Österreich-Ungarn gehörte, das Gebiet forstwirtschaftlich erschlossen. Die Schmalspurbahn kam in den 1930er-Jahren hinzu und ist die letzte noch unverändert funktionierende Waldbahn Europas. Heute wird sie als wichtigster Wirtschaftsfaktor für Viseu de Sus privat betrieben.

Bernard und seine Partner entwerfen für diese Bahnstrecke nun ein schlichtes Gästehaus ganz aus Holz. In einem vorsichtigen Tourismus sieht der Architekt nämlich die besten Erfolgschancen Rumäniens: "Das Wichtigste ist, die Authentizität zu bewahren. Genau die Diskrepanz zu Westeuropa ist das Potenzial. Jede Lücke kann man auch als Chance sehen, man muss sie nur aus der richtigen Perspektive betrachten. Bernard plant auch größere Projekte mit rumänischen Partnern: "Nur sorgfältige Planung kann ersetzen, was durch das enorme Tempo der Entwicklung heute oft verloren geht."

Sibiu/Hermannstadt empfängt die Besucher mit Konzerten und Theateraufführungen in vielen Sprachen, die ganze Stadt ist festlich mit Fackeln beleuchtet, jeder Kaffeehaustisch ist besetzt. Hermannstadt hat in den letzten Jahren eine für Rumänien unwahrscheinliche Entwicklung durchgemacht, es ist zusammen mit Luxemburg europäische Kulturhauptstadt 2007. Der Vergleich mit Viseu mutet hier wie eine Zeitreise an. Saß man gestern noch mit den Forstarbeitern auf der Schmalspurbahn, verbringt man heute die Abende in einer Pizzeria am Kleinen Ring. Barbara Rosenegger-Bernard, die viele Jahre in Italien lebte, meint, dass man dort lange suchen müsse, um eine so gute Pizza zu finden. So gesehen ist es dann auch keine große Überraschung, dass Staatspräsident Traian Basescu und der Hermannstädter Bürgermeister Klaus Werner Johannis am Nebentisch sitzen.

Barbara Rosenegger-Bernards Rumänien-Eindrücke lesen sich wie das Wunschdenken der Tourismuswerbung: Natürlichkeit, Gastfreundschaft, Gemütlichkeit, Lebensfreude. All das hat man in Rumänien erlebt, genauso aber die tristere Realität, die Omnipräsenz des kommunistischen Erbes.

Am Nebentisch sitzt jetzt der verrückte alte Blumenverkäufer mit braungebranntem Gesicht, eine Art Stadtnarr, der oft beim Schleppen seiner Blumeneimer über die Fußgängerzone lautstark über Gott und die Welt wettert. (Laura Balomiri, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.06.2007)