Die Maoisten pressen niemandem mehr Schutzgelder ab. Die Waffen der Rebellen werden eingesammelt. König Gyanendra hat nichts mehr zu sagen. Und die Parteien bereiten die Wahlen zur verfassungsgebenden Versammlung vor. Es ist nur ein bisschen länger als ein Jahr her, als in Nepal eine Sieben-Parteien-Allianz den König dazu gezwungen hat, das Parlament wieder einzusetzen und Friedensgespräche mit den Maoisten zu führen, die zehn Jahre lang das Regime bekämpft hatten.

Seit April diesen Jahres sind die ehemaligen Rebellen mit fünf Posten Teil der Übergangsregierung. Kein großer internationaler Einsatz mit Blauhelmen war vonnöten. Im Südosten kommt es immer wieder zu Aufständen einer maoistischen Splittergruppe, aber im Großen und Ganzen verläuft der von 1000 UN-Beobachtern begleitete Friedensprozess vorbildhaft. Warum? Wann leitet die Machtteilung zwischen ehemaligen Rebellen und etablierten Kräften einen nachhaltigen Frieden ein? Und woran kann er scheitern?

Der Politologe Andreas Mehler vom Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien (Giga) in Hamburg warnt davor, „power-sharing“ für Konfliktlösungen zu überschätzen. Denn nach der Machtteilung gebe es eine auffällige Tendenz der Wiederkehr bewaffneter Konflikte. Als Standardlösung nach Bürgerkriegen belohne sie jene, die gewaltsam an die Macht kommen wollen. Auch könne in der Bevölkerung der Eindruck entstehen, dass es sich eher auszahlt, sich dafür bezahlen zu lassen, dass man die Waffen abgibt, als einer Arbeit nachzugehen. Der Lerneffekt ist gefährlich. Zudem, so Mehler, sei ein vollständiger Einschluss der Konfliktparteien durch eine Machtaufteilung nie möglich, jene, die sich weiterhin ausgeschlossen fühlten, würden daher weiterkämpfen.

Bei der Machtteilung geht es im Kern darum, durch institutionelle Arrangements den Forderungen von bestimmten Ethnien oder ideologischen Gruppen nachzukommen, die eine Teilhabe an der Macht garantieren. Dem niederländischen Politologen Arend Lijphart zufolge sind dafür „Autonomiesphären“, Proporz und Vetorechte notwendig. Mehler gibt allerdings zu bedenken, dass die Rebellen oft nicht eine benachteiligte Gruppe repräsentieren, sondern eher ein „politisch-militärisches Unternehmen“ darstellten.

Im Falle der nepalesischen Maoisten stellt sich also die Frage, wie lange sich der Frieden für sie „auszahlt“. Der Herausgeber der Nepali Times Kunda Dixit meint im Gespräch mit dem Standard, dass dies jetzt schon der Fall ist. Pro Monat würde, so Dixit, etwa eine Million Dollar an die Maoisten überwiesen. Zudem hätten die 35.000 Rebellen irgendwann einfach eingesehen, dass sie keinen militärischen Sieg erringen können. Und auch die Monarchisten hätten angesichts der breiten Mehrheit in der Bevölkerung, die eine Republik vorzieht, verstanden, dass sich der Kampf nicht mehr lohnt.

Relevant bei Machtteilungsarrangements ist jedenfalls die Wahl der Friedensvermittler. Im Fall von Nepal war es Indien, das mithalf den König in die Außenseiterposition zu drängen und die Parteien zusammenzuführen. Von Indien unterstützt wurden auch nicht nur die Maoisten, sondern die zivile Opposition, die ihre Macht nun wieder innerhalb der demokratischen Institutionen ausüben kann. Der König hatte 2005 die Parteien entmachtet und den Medien sogar verboten, Nachrichten zu senden. „Die Radiostationen haben die News in Volkslieder verpackt vorsingen lassen“, erzählt Dixit über den zivilen Widerstand. Seine Zeitung habe jeden Tag eine Tankuhr abgebildet, die das Ausmaß der Zensur anzeigte.

„Es ist noch kein vollständiger Friede“, sagt er. „Aber die Maoisten haben bereits offiziell eine Partei gebildet.“ Nach jüngsten Umfragen könnten sie bei den Wahlen unter den ersten drei sein und etwa zwölf Prozent bekommen. Mehler verweist allerdings darauf, dass nicht nur der Einschluss der Rebellen für einen nachhaltigen Frieden wichtig sei, sondern dass im Friedensprozess die Konfliktursachen aufgearbeitet werden müssen. In Nepal bleiben allerdings vorerst die massiven Menschenrechtsverletzungen durch die Maoisten und die Sicherheitskräfte ungeahndet. (DER STANDARD, Printausgabe, 13.6.2007)