Angelo Soliman, bekanntester Schwarzer in der Geschichte Österreichs (ca. 1721 bis 1796), hatte als "Spielzeug" bei Hof begonnen und wurde später Logenbruder Mozarts. Eine Emanzipation, die das Bild des "Angelo X" betont.

Foto: Hauptbücherei
Der Exotisierung und Verniedlichung von Schwarzen begegnen die Kuratorinnen Araba Evelyn Johnston-Arthur und Nora Sternfeld mit einem Blick auf 300 Jahre der Begegnung.

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Wien - Afrikanische Diaspora in Österreich? Hand aufs Herz, man weiß wenig bis nichts über die Thematik, der sich die Ausstellung Let It Be Known in der Hauptbücherei Wien ambitioniert widmet. "Eben darum muss diese Geschichte erzählt werden", findet die Kuratorin Araba Evelyn Johnston-Arthur. "Es ist eine unbekannte Geschichte, für die es kein Bewusstsein gibt."

Die schwarze österreichische Gegengeschichte hat ihren Ausgangspunkt in der Zeit Mozarts. Im Rahmen von "Verborgene Geschichten. Re-mapping Mozart" hat sich vor zwei Jahren eine Recherchegruppe zusammengefunden, um nach Spuren zu suchen, die Schwarze seit dem 18. Jahrhundert hier hinterlassen haben. Die Suche nach Dokumenten für die Lebens- und Überlebensrealitäten Schwarzer in Österreich hat sich jedoch als schwierig erwiesen. Über diese Menschen wurde kaum etwas aufgezeichnet, bei der Recherche war man vor allem auf Tauf- und Trauungsbücher und hier auf den Zusatz "Mohr" angewiesen, der allerdings auch Menschen aus dem orientalischen Raum umfasste.

Was sich aus der Sicht der Kuratorin jedoch mit Sicherheit sagen lässt: "Stark ausgeprägt war und ist in Österreich die Exotisierung und Verniedlichung von Schwarzen. Lange Zeit hat man sie bei Hof als herzige Repräsentationssymbole in Fantasieuniformen gehalten. Auch durch die Mehlspeisentradition und das Meinl-Emblem wird eine blutige Geschichte verharmlost. Doch die Geschichte dieser Menschen kann nicht unabhängig von der Geschichte der Versklavung und Verschleppung zu dieser Zeit erzählt werden."

Am besten lässt sich die Verniedlichung an Angelo Soliman (geboren um 1721, gestorben 1796), dem wohl bekanntesten Schwarzen in der österreichischen Geschichte, aufzeigen. Soliman, in Büchern über Alt-Wien als "der hochfürstliche Mohr" bezeichnet, war eine Ausnahmeerscheinung. Er hatte als "Spielzeug" bei Hof begonnen und schaffte es bis zum Logenbruder Mozarts. Eigentlich die Geschichte einer Emanzipation, die in der Ausstellung im starken Bild des "Angelo X" ausgedrückt wird.

Nach seinem Tod freilich wurde Soliman wie ein exotisches Tier ausgestopft und in der Kuriositätensammlung des Kaisers ausgestellt. Seine Tochter Josefine kämpfte um ein Begräbnis für ihn, die Behörden verwehrten es jedoch. Johnston-Arthur: "Josefine Solimans Einsatz für ihren Vater war kein Widerstand in dem Sinne, aber sie hat als Frau Eigensinn bewiesen. Insofern sehen wir sie als Vorläuferin einer schwarzen feministischen Perspektive."

Johnston-Arthur und ihre Co-Kuratorin Nora Sternfeld wollen mit Let It Be Known vorherrschende Bilder von Schwarzen in Österreich infrage stellen. Dabei gehen sie bewusst nicht nüchtern wissenschaftlich vor, sondern ziehen mit einem Anspruch ins Feld. Sternfeld: "Wir betrachten die Vergangenheit aus einer gegenwärtigen Perspektive. Auch heute noch werden Schwarze als Objekte betrachtet und marginalisiert, exotisiert oder kriminalisiert. Uns geht es darum, sie als Subjekte der Geschichte zu verankern."

Fremdzuschreibungen werden in Let It Be Known daher vermieden. Als Leitfaden durch die Ausstellung dient ein gleichnamiger Rap-Song, der im Rahmen der Recherche entstanden ist und in dem alle behandelten Themen anklingen. Im Sinne der Oral History wird Rap hier nicht als Unterhaltung verstanden, sondern als Tool einer widerständigen Erzählpraxis.

"Wir stellen Klischeebildern emanzipatorische Gegenbilder entgegen", erklärt Johnston-Arthur. "Das ist dringend nötig, denn die Klischeebilder von Schwarzen sind tief in unserer Vorstellung verankert. Wir finden sie bereits in der Zauberflöte, die als Einstiegsoper für Kinder gilt. Da werden Kinder schon mit den klassischen Stereotypen über schwarze Männer gefüttert: Schwarz ist gleich böse und immens gefährlich."

Fremdzuschreibungen vermeiden, das meint schließlich auch, dass in der Ausstellung Bezeichnungen wie "Mohr" und der mit der Rassentheorie entstandene Begriff "Neger" draußen vor der Tür bleiben. In Let It Be Known ist vom "M"- und vom "N-Wort" die Rede. Freilich: Nur ein leiser Widerstand gegen die im Stadtbild omnipräsenten Schmierereien. (Sebastian Fasthuber/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13. 6. 2007)