Klein, aber gemein – und evolutionär völlig kontraproduktiv: der stachelige Penis des Bohnenkäfers.

Foto: DER STANDARD/Johanna Rönn
Ein wahrer Krieg der Geschlechter spielt sich bei Gefleckten Bohnenkäfern ab: Männchen verletzen die Weibchen mit bizarren Penissen - ein fataler Irrtum der Evolution.

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Uppsala - Sex ist für Gefleckte Bohnenkäfer (Callosobruchus maculatus) gewiss kein angenehmes Abenteuer. Von zärtlichem Liebesspiel kann nicht die Rede sein, ihre Paarung gleicht eher einem erbitterten Nahkampf.

Ursache ist die furchterregende männliche Anatomie dieser Spezies: Der Penis ist an seiner Spitze mit harten Stacheln bewehrt, welche sich nach der Penetration aufrichten und durch die Wand der Vagina bohren. Wenig später wehrt sich das Opfer nach Kräften und versucht, durch Tritte mit den Hinterbeinen den Eindringling wieder los zu werden. Jeder Geschlechtsakt hinterlässt innere Narben. Wissenschafter rätseln über den Sinn des brutalen Beischlafs.

Die Weibchen des Bohnenkäfers sind promisk. Deshalb vermutete man, dass die Verletzung ihrer Partnerinnen den Männchen einen Fortpflanzungsvorteil gegenüber späteren Nebenbuhlern einräumt. Diese These wurde jedoch durch Laborstudien widerlegt. Die weiblichen Tiere zeigen sich als überaus robust. Häufiges Kopulieren scheint ihre Lebenserwartung nicht zu verringern.

Um der Sache auf den Grund zu gehen, haben schwedische Biologen der Universität Uppsala das Fortpflanzungsverhalten von C. maculatus detailliert untersucht und mit dem Liebesleben sechs verwandter Arten der Gattung Callosobruchus verglichen.

Bewaffnete Penisse

Es zeigten sich erhebliche Unterschiede. Nicht alle Männchen verfügen über "bewaffnete" Glieder und folglich ist auch der Genitaltrakt der zugehörigen Weibchen weniger widerstandsfähig ausgestattet. Bei der stacheltragenden Spezies beobachteten die Forscher dagegen dickere, mittels Bindegewebe verstärkte Vaginalwände - eine evolutionäre Antwort auf die kopulationsbedingten inneren Verletzungen.

Die bewehrten Käfer-Penisse dienen höchstwahrscheinlich als Anker und verschaffen ihren Trägern festen Halt beim Geschlechtsakt, was wiederum den Befruchtungserfolg zu steigern scheint. Verletzung ist nicht das Ziel, sondern lediglich eine Begleiterscheinung. Massives Bindegewebe verringert die Schäden bei den Partnerinnen.

Zähere weibliche Genitalien erfordern jedoch spitzere, stärkere Stacheln, um den gewünschten Anker-Effekt zu erzielen. So entsteht ein bizarrer Teufelskreis.

Das genitale Wettrüsten mag zwar den einzelnen Individuen nützen, für die betroffenen Arten erweist sich der Prozess als kontraproduktiv. Der Geschlechterkrieg fordert hohe Investitionen in die körperliche Ausstattung, die stachellose Spezies nicht erbringen müssen. Den Bewaffneten entstehen dadurch potenzielle Nachteile im Kampf ums Überleben. Diese lassen sich im mathematischen Modell nachweisen, berichten die Schweden in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift PNAS.

"In diesem seltenen Fall bringt die Evolution eine unvorteilhafte Anpassung hervor", erklärt der Leiter des Forschungsteams, Göran Arnqvist, im Gespräch mit dem STANDARD. Gleichwohl bergen die Fortpflanzungsstrategien der Callosobruchus-Käfer noch viele Geheimnisse.

Manche Weibchen zum Beispiel scheinen trotz der Verletzungsgefahr sogar von häufigen Kopulationen zu profitieren. Wahrscheinlich nutzen sie das Ejakulat ihrer Partner als Nahrungs- und Wasserquelle. (Kurt de Swaaf/DER STANDARD, 13. Juni 2007)