Edda Fiebiger arbeitet derzeit nur mit Frauen. Sie meint, diejenigen, die wirklich ambitioniert sind, lassen sich in ihrer Forscherinnenkarriere auch nicht von Kindern aufhalten.

Foto: STANDARD/Harvard Medical School
Die Pharmazeutin Edda Fiebiger ging in die USA, weil sie einmal raus wollte aus der eigenen Uni und dem eigenen Land. Aus einem kurzen Aufenthalt wurden sieben Jahre. Heute ist sie in Boston eine anerkannte Allergieforscherin. Margarete Endl sprach mit ihr.

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STANDARD: Warum haben Sie als Schwerpunkt Allergien gewählt?

Fiebiger: Jeder wollte Krebs heilen, als ich ein Thema für meine Dissertation suchte. Allergie war nicht spektakulär. Viele fragten: "Warum interessiert dich denn das, da stirbt ja keiner davon." Das dachte man damals. Mich hat es fasziniert. Menschen, die unter Allergien leiden, leiden wirklich.

STANDARD: Woran arbeiten Sie zurzeit konkret?

Fiebiger: Ich beschäftige mich seit einem Jahr mit Lebensmittelallergien. In jedem vierten Haushalt in den USA gibt es bereits Einschränkungen in den Essensgewohnheiten, weil ein Familienmitglied bestimmte Nahrungsmittel nicht verträgt. Am problematischsten sind dort die Erdnüsse. In Österreich ist es nicht so schlimm, aber auch hier steigen die Lebensmittelallergien. Meine Arbeitsgruppe macht Grundlagenforschung.

Wir versuchen zu verstehen, wieso harmlose Lebensmittel wie Erdnüsse das Signal 'fremd und gefährlich' im Darm auslösen. Wir arbeiten hauptsächlich in Zellmodellen, um die Mechanismen des menschlichen Immunsystems zu verstehen.

STANDARD: Haben Sie eine Hypothese?

Fiebiger: Hypothesen gibt es viele. Einige Leute meinen, dass genmanipulierte Nahrungsmittel die Ursache für Lebensmittelallergien sind. In einer kürzlich veröffentlichten Studie wird kein Zusammenhang gesehen. Epidemiologische Studien zeigen, dass es in der DDR weniger Allergien gab als in Westdeutschland, und als die Grenze aufging, stiegen die Allergien.

Es gibt auch die Wurmtheorie: Naturvölker im Amazonasgebiet haben keine Allergien. Weil das Immunsystem mit Würmern beschäftigt ist. Wenn die Menschen verwestlichen, gehen die Wurminfektionen runter und die Allergien fangen an. Aber was bedeutet das? Es gibt viele offene Fragen.

STANDARD: Warum sind Sie nach Boston gegangen?

Fiebiger: Mein Dissertationsbetreuer Georg Stingl von der Immundermatologie an der Med-Uni Wien hat mich dazu angeregt. Jeder Forscher müsse mal raus aus der eigenen Uni, dem eigenen Land. Er selber war längere Zeit in den USA. Ich ging 2000 mit einem Schrödinger-Stipendium als Postdoc an die Harvard Medical School. Aber wenn ich gewusst hätte, dass es so schwer ist, zurückzukommen, wäre ich vielleicht nicht gegangen.

STANDARD: Haben Sie sich denn in Österreich beworben?

Fiebiger: Ja, aber ich möchte die Stelle nicht nennen. Ich bekam nicht einmal eine Absage. Ich erhielt dann ein Apart-Stipendium, ein Habilitationsstipendium von der Akademie der Wissenschaften, und lernte zu dieser Zeit meinen Mann kennen - einen Amerikaner. Deshalb habe ich mich später nicht mehr intensiv bemüht. Meine Fühler strecke ich aber immer wieder aus.

STANDARD: Wo arbeiten Sie jetzt?

Fiebiger: Ich forsche am Children's Hospital in Boston und an der Harvard Medical School. Dabei war ich vor zwei Jahren schon beim Kofferpacken und wäre beinahe nach Oxford gegangen. Ich hatte einen Wettbewerb der Royal Society, der Akademie der Wissenschaften in Großbritannien, gewonnen: 15 Jahre lang ein Gehalt als Forscherin und eine Übernahmegarantie von der Universität.

Zwei Wochen vorm Abflug sagte mein Chef, das Children's Hospital suche jemanden. Ich hab meinen Lebenslauf in einer Pause zwischen zwei Experimenten geschickt. Dann ging es blitzschnell: Ich bekam ein Angebot und nahm es an. Mein Mann hat schön geschluckt - er lebte schon in England.

STANDARD: Was hat Sie an der Position mehr gereizt?

Fiebiger: In Oxford hätte ich über Proteinqualitätskontrolle geforscht - also eher Grundlagenforschung, mit weniger Bezug zu einer Krankheit. Ich mache aber lieber Forschung mit Bezug zu den Patienten.

STANDARD: Gibt es berufliche Verbindungen nach Wien?

Fiebiger: Ich bin mit meinen Professoren immer in Kontakt geblieben, und wir haben jetzt zwei Kollaborationen laufen: eine mit Dieter Maurer von der Dermatologie, eine mit Zolt Szepfalusi von der Kinderklinik. Beide Arbeitsgruppen beschäftigen sich mit Allergieforschung, da ergeben sich interessante Aspekte der Zusammenarbeit.

Eine Ärztin von Szepfalusis Team hat ein Apart-Stipendium der Akademie bekommen und arbeitet nun bei mir im Labor. Ich bin der Akademie und dem FWF dankbar - meine gesamte Postdoc-Zeit bekam ich durch Stipendien finanziert. Als ich meine erste bezahlte Postdoc-Stelle zu vergeben hatte, stellte ich sie beim FWF ins Netz. Von meinen drei Mitarbeiterinnen sind mittlerweile zwei aus Österreich.

STANDARD: Arbeiten Sie nur mit Frauen?

Fiebiger: Ja - obwohl ich gewarnt wurde: Die sind Anfang 30, die werden Kinder bekommen. Doch ich weiß: Die ambitionierten Frauen lassen sich durch ein Kind nicht aufhalten. Sie werden in ihrer Arbeit fokussierter und machen weiter. (DER STANDARD, Printausgabe, 13. Juni 2007)