Wien - Der Salzburger Medienwissenschafter Stefan Weber lässt nicht locker: Nach einer "systematischen Überprüfung weiterer Unterkapitel" der Dissertation von Wissenschaftsminister Johannes Hahn (V) wirft er ihm in einer Aussendung nun erstmals vor, andere Autoren plagiiert zu haben. Bisher hatte Weber Hahn nur "schlampiges Arbeiten" vorgehalten. Der Minister wollte zu den neuen Vorwürfen auf APA-Anfrage nichts mehr sagen.

Nach Webers ersten Vorwürfen, aus einem Buch des Philosophen und Staatswissenschafters Leopold Kohr "seitenweise abgeschrieben" zu haben, hatte die Universität Wien nach einer Stellungnahme der Uni Zürich auf ein Plagiatsprüfungsverfahren bezüglich der inkriminierten Passagen verzichtet. Begründung: Hahns Arbeitsweise sei beim Zitieren zwar nicht immer technisch korrekt gewesen, er habe aber nie fremdes geistiges Eigentum als eigenes ausgegeben - deshalb könne man auch nicht von einem Plagiat sprechen.

Genau das wirft ihm Weber in einer Aussendung aber nun vor. Bestimmte andere Passagen könne man "nicht nur als Abschreibübungen, als schlampiges Zitieren oder 'leserfreundlichen Umgang' mit Texten anderer" bezeichnen. An zahlreichen Stellen gebe es eine "beweisbare Vermengung von mit Fußnoten belegten Textsegmenten und Fließtext des Autors". Ganze Passagen aus Büchern von Alexander Mitscherlich, Dieter Eisfeld und Lewis Mumford seien dergestalt übernommen worden - "von einem Absatz bis zu zehn Seiten hintereinander." Damit liege "entweder ein intentionales oder aber ein non-intentionales Plagiat" vor, folgert Weber.

Der Bildungswissenschafter Alfred Schirlbauer hält die Vorwürfe nach Ansicht der von Weber angeführten Passagen für "ziemlich übertrieben". Natürlich sei ein längeres Zitat im Text Hahns nicht als solches ausgewiesen gewesen. Die Frage sei nur, ob dies aus böser Absicht gewesen oder nur einmal "passiert" sei, so Schirlbauer gegenüber der APA: "Nach meiner Ansicht kann das auch passieren." Erst wenn sich solche Fälle häufen, könne man von einem Plagiat sprechen. Man finde aus der betreffenden Zeit aber nur wenige Dissertationen, die diesbezüglich fehlerfrei seien.

"Ich halte es für problematisch, Arbeiten von vor 20 Jahren mit den Maßstäben von heute zu messen", so Schirlbauer. Damals seien die Usancen andere gewesen. Wörtliche Zitate müssten heute verpflichtend mit Gänsefüßchen gekennzeichnet sein, damals sei dies nicht der Fall gewesen. Bei der damals üblichen Zitationsweise hätten Fehler wie die von Hahn begangenen durchaus passieren können. (APA)