Burkert-Dottolos Beitrag zur Schuldebatte war, obwohl eine Abwechslung zu den meist vorgebrachten Argumenten in der Gesamt- und Ganztagsschuldebatte und daher kurzweilig zu lesen, argumentativ nicht sehr überzeugend - Selbiges trifft auf einen Economist-Artikel zu, der den britische Bildungssprecher David Willetts kürzlich dafür kritisierte, von der Forderung einer weitergehenden Privatisierung der Schulen Abstand zu nehmen.

Aufgrund der statistischen Evidenz, dass die hoch selektiven "grammar schools" der Förderung der Talente aus den ärmeren Bevölkerungsschichten immer weniger nachkommen, sehe er keinen Grund, deren Anzahl zu erhöhen, sondern votiert dafür, mehr staatliche "independent schools" in Bezirken mit ärmerer Bevölkerung zu eröffnen.

Elite durch marktwirtschaftilche Selektion

Der Economist argumentiert dagegen, dass die Elite eines Landes am besten durch ein hoch selektives und rein nach marktwirtschaftlichen Prinzipien gesteuertes Bildungssystem gefördert bzw. hervorgebracht werden könnte. Obwohl in dem Artikel zur Kenntnis genommen wird, dass gerade das Land mit der anteilsmäßig stärksten Leistungselite ein gänzlich vom Staat gesteuertes und bis zum Ende der Schulpflicht mit 16 Jahren nicht selektives Schulsystem vorweist - nämlich Finnland und ganz ähnlich Kanada -, wird mit keinem Argument darauf eingegangen, warum es in Großbritannien mehr Privatisierung brauche, um die talentierten Kinder aus den nicht privilegierten Bevölkerungsschichten besser fördern zu können.

Trotz einem vergleichsweise sehr hohen Anteil privater Schulen liegen die Leistungen der besten fünf Prozent sowie zehn Prozent der in Pisa getesteten britischen Schüler/innen nicht über den Leistungen der besten finnischen oder kanadischen Schüler/innen. Diese - so die Ideologie der Privatisierungsfraktion - müssten doch eigentlich darunter leiden, dass ein staatlich dominiertes System weniger innovativ sei und von niedrigeren Standards geprägt.

Ideologie vor Evidenz

Weder der Vergleich vor Ort noch die statistischen Ergebnisse lassen diese Vermutung in irgendeiner Weise gerechtfertigt erscheinen. Vielmehr drängt sich die Verdacht auf, dass in dem einen Fall - Privatisierung als allgemeine Problemlösungsmechanismus - Ideologie vor Evidenz steht und in dem anderen - eine evidenzorientierte und innovationsfähige staatliche Verwaltung nimmt die Verantwortung für die bestmögliche Bildung der gesamte Bevölkerung ernst - der beklagte "Zwang" für alle das beste Ergebnis bringt: sowohl für die besonders leistungsfähigen als auch für die schwachen und schwierigen SchülerInnen. (Barbara Herzog-Punzenberger, DER STANDARD, Printausgabe 13.6.2007)