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Rifat Hisarciklioglu ist seit 2001 türkischer Arbeitgeberpräsident.

Foto: AP/Ozbilici
Standard: Die Türkei will seit Mitte der 60er- Jahre in die EU. Wird sie es jemals schaffen?

Hisarciklioglu: Ich bin überzeugt. Die Türkei arbeitet seit 150 Jahren daran, seinen Standard an jenen im Westen anzupassen. Wirtschaftlich gesehen ist die Türkei schon Teil der Union. Wir haben mit der EU 1996 eine Zollunion abgeschlossen. Die Umsetzung der Regeln im freien Warenverkehr wird uns also keine Schwierigkeiten bereiten. Das war bei bisherigen Erweiterungen immer ein Problem. Was den Zeithorizont betrifft: Wir werden unsere Hausaufgaben bis Ende 2013 erfüllt haben.

Standard: In der EU wird befürchtet, der Beitritt sei, was den Agrarsektor betrifft, unleistbar.

Hisarciklioglu: Aber der Agrarsektor wandelt sich. Früher arbeiteten 45 Prozent der Beschäftigten in der Landwirtschaft, jetzt ist es ein Drittel. Bis 2013 wird diese Zahl weiter zurückgehen. Die EU sollte also eher die Vorteile eines Beitrittes sehen. Unsere Wirtschaft wächst mit 7,5 Prozent. Wir haben eine große Generation von jungen, dynamischen und gut ausgebildeten Leuten. Und dann ist da der Energiesektor: Die EU ist zu fast 50 Prozent von Energielieferungen aus Drittländern abhängig. Die Türkei liegt in einer erdöl- und erdgasreichen Region, kann also zu einem Energieumschlagplatz für Europa werden.

Standard: Es gibt auch politische Spannungen: Ende April mischte sich das Militär in den Streit rund um die Präsidentenwahlen ein. Und schließlich die Frage der Menschenrechte: Türkische Behörden greifen auch auf Folter zurück.

Hisarciklioglu: In jedem Land gibt es Schwierigkeiten, wenn Wahlen bevorstehen. Es gab doch 2000 auch Probleme in Österreich? Der Türkei stehen nun gleich zwei Wahlen bevor (Anm.: am 22. Juli Parlamentswahlen, bis Ende 2007 soll auch ein neuer Präsident gewählt werden). Danach werden sich die Spannungen aber auflösen. Was die Folter angeht, hat die Regierung eine Null-Toleranz-Politik beschlossen und auch umgesetzt.

Standard: Laut Umfragen lehnen über 90 Prozent der Österreicher einen Türkei-Beitritt ab. Haben Sie eine Idee, warum?

Hisarciklioglu: Weil wir uns nicht allzu gut kennen. Menschen, die schon einmal bei uns im Land waren, haben ein völlig anderes Bild, als Leute, die die Türkei nur aus den Fernsehnachrichten kennen. Klar ist aber, dass wir ein Image-Problem in Österreich haben. Also müssen wir uns besser vorstellen.

ZUR PERSON: Der 1955 geborene Rifat Hisarciklioglu ist seit 2001 türkischer Arbeitgeberpräsident. Die Arbeitgebervereinigung vertritt laut eigenen Angaben 1,3 Millionen Unternehmer. (András Szigetvari, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 15.6.2007)