Tripolis/Sofia - Das endgültige Urteil gegen fünf in Libyen zum Tode verurteilte bulgarische Krankenschwestern soll am 11. Juli verkündet werden. Das bestätigte am Mittwoch das Außenamt in Sofia. Zu Beginn des letzten Berufungsprozess der Bulgarinnen und eines palästinensischen Arztes forderte die Staatsanwaltschaft vor dem Obersten Gericht eine Bestätigung des Todesurteils. Den Angeklagten wird vorgeworfen, sie hätten bei ihrer Arbeit in einem Krankenhaus in Bengasi mehr als 400 Kinder absichtlich mit dem HIV-Virus infiziert. Die Anwälte der Betroffenen erklärten laut Rundfunkangaben, Geständnisse seien unter Folter erzwungen wurden.

Die Verteidigung verwies auch auf Gutachten internationaler Experten, wonach die Aids-Epidemie in dem Kinderkrankenhaus ein Jahr vor Eintreffen der Bulgarinnen wegen schlechter Hygiene ausgebrochen sei. Eltern der erkrankten Kinder demonstrierten vor dem Gericht für die Vollstreckung der Todesurteile und zeigten Fotos ihrer erkrankten oder verstorbenen Kinder. Ihr Sprecher räumte jedoch Möglichkeiten für eine finanzielle Abfindung ein.

Staatsanwalt fordert Höchststrafe

"Ich fordere die Bestätigung der Höchststrafe", sagte der Staatsanwalt laut Journalisten zu Prozessbeginn am Mittwoch in Tripolis. Die Beweise sprächen klar für die Beteiligung der sechs Verurteilten an der absichtlichen Infektion von Kindern mit HIV. Der Anwalt des palästinensischen Arztes, der inzwischen die bulgarische Staatsbürgerschaft erhielt, forderte wie die Anwälte der Krankenschwestern die Aufhebung des Todesurteils. Sein Mandant habe die ihm zur Last gelegten Taten unter Folter gestanden. Die Anwälte verwiesen auf einen 100-Seiten-Untersuchungsbericht, der keine Schuldbeweise enthält.

Richter Fathi Dahane kündigte an, er werde am 11. Juli ein Urteil verkünden. Ein Verteidiger der Krankenschwestern wertete die Vertagung als positives Zeichen. "Das zeigt, dass das Gericht von unseren Argumenten überzeugt ist und neue Untersuchungen über die Infektion der Kinder veranlassen wird", sagte Othman Bisanti. Parallel zu dem Berufungsprozess verhandeln Opferangehörige, libysche Behörden und EU über eine Entschädigung der Familien. Ein Mitarbeiter der an den Verhandlungen beteiligten Gaddafi-Stiftung kündigte eine Regelung bis Freitag an.

Ermittlungen

Das Gericht könnte die 2004 verhängten und Ende 2006 bekräftigten Todesurteile bestätigen, sie außer Kraft setzen oder die Strafen abändern. Sollten die Todesurteile erneut bestätigt werden, dann könnte nur noch der Oberste Richterrat die Angeklagten begnadigen. Unterdessen sagte der bulgarische Hauptstaatsanwalt Boris Weltschew, die Ermittlung in Sofia gegen die libyschen Folterer der Frauen werde fortgesetzt. Familienangehörige der Krankenschwestern wollten in den nächsten Tagen in Brüssel mit der deutschen Bundeskanzlerin und EU- Ratsvorsitzenden Angela Merkel zusammentreffen.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hatte zusammen mit EU-Kommissarin Benita Ferrero-Waldner die inhaftierten Krankenschwestern und den Arzt während seines Besuches in Libyen vor zehn Tagen im Gefängnis in Tripolis besucht. Bei der libyschen Führung hatte Steinmeier auf eine rasche Freilassung gepocht. Die EU, der Bulgarien zu Jahresbeginn beitrat, sowie die USA bemühen sich um die Freilassung der zum Tode Verurteilten.

Das Todesurteil von 2004 war im Dezember bestätigt worden. Die Krankenschwestern Kristiana Waltschewa, Nassja Nenowa, Walja Tscherweniaschka, Walentina Siropulo und Sneschana Dimitrowa waren in den 90er Jahren nach Libyen gekommen, um hier Geld zu verdienen. Der Arzt Aschraf Schumaa el Hadschudsch lebte mit seiner Familie bereits seit langem in Libyen. Er absolvierte im Rahmen seines Medizinstudiums ein Praktikum in der betroffenen Kinderklinik. (APA/dpa)