„Die Straße wäre tot ohne Ausländer“, sagt Andreas Steeg und deutet mit der einen Hand auf die für die Vormittagszeit recht belebte Quellenstraße hinunter. Mit der anderen schiebt er den Kinderwagen vor und zurück, während seine Frau die bunt gemusterten Blusen und Kleider durchschaut, die auf einer der überladenen Kleiderstangen auf dem Gehsteig vor dem „Bestpreismarkt“ hängen.
Tatsächlich sind die meisten Geschäfte von zugewanderten Unternehmern geführt: Ein Stück weiter sind leuchtende Tomaten und Melonen unter der Markise ausgelegt, dahinter ein „Handy Internet Shop“, ein Imbiss und „Fatih’s Bazar“, nur wenige alte Handwerksbetriebe wie ein Spengeler haben sich gehalten. In einem der desolaten Gebäude ist sowohl die Union Islamischer Kulturzentren als auch die Bewährungshilfe untergebracht. Es gibt kaum ein Haus, auf dem nicht ein verwittertes Schild auf die Zerstörung im Krieg und den Neubau in den 50er und 60er-Jahren hinweist. Die Fassaden scheinen seither nicht mehr ausgebessert worden zu sein – anders als die großen Gemeindebauten aus der Zwischenkriegszeit auf der gegenüberliegenden Seite.
Berüchtigt
Dort befindet sich auch die Anlage Quellenstraße 24a, die es durch die Luftdruckgewehr-Attacken auf spielende Kinder zu einer über die Grätzelgrenzen reichenden Berüchtigtkeit geschafft hat. Am Freitag wurde ein zweiter Mann angezeigt, der den mutmaßlichen Täter mit den Worten „Schieß auf den Bladen!“ zum Waffengebrauch aufgefordert haben soll. „Hier geht es noch wilder zu als in der Hanssonsiedlung“, meint Steeg, der in seinem Job als Schneeräumer regelmäßig durch die Gemeindebauten tingelt. „Früher hat’s hier ein Miteinander gegeben. Da haben die Leut’ noch zusammengehalten.“ Schuld an den Konflikten und Aggressionen seien die Versäumnisse die Gemeinde Wien, ist Steeg überzeugt. „Das geht net gut, Giftler, Alkoholiker und Ausländer in einen Gemeindebau stecken. Irgendwo müssen’s den Frust ja rauslass’n.“
„Manche Österreicher sind sehr böse und schreien herum, weil wir Schilder auf türkisch haben“, erzählt Sibel, die als Kassiererin im Supermarkt Aycan arbeitet. „Wir sind doch alle Menschen – alle sterben am Ende. Und wir arbeiten noch mehr als die Österreicher“, beteuert die 17-Jährige, die mit ihrer Mutter zusammenlebt und die Hälfte von ihren 800 Euro Lohn für die Miete ausgibt.
Dass es für Kinder und Jugendliche nichts gibt, wo sie hingehen können, sei das größte Problem, weiß eine junge Mutter, die es sich neben einem Gärtchen mit liebevoll arrangierten Zwergen mitten im Hueber-Hof in der Quellenstraße 24b gemütlich gemacht hat. Der Park sei immer „bummvoll“, so etwas wie einen Hobbyraum gibt es nicht. „Seids froh, dass i ka Bombe hab“, soll ein Bewohner regelmäßig spielenden Kindern zuschreien, ein Luftdruckgewehr soll er auch besitzen. Als sich Mieter bei Wiener Wohnen beschwerten, habe man ihnen gesagt, dass sie Unterschriften sammeln müssten, damit eine Verwarnung ausgesprochen werden kann. „Soll sich einmal ein Politiker 14 Tage da reinsetzen“, wünscht sich die Frau. Denn außer lärmenden Kindern gebe es viel Schlimmeres, wie zum Beispiel prügelnde Männer. „Aber da machen alle die Fenster zu und keinen kümmert‘s.“
Thema Zuwanderung