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Historische Fusion: Die ostdeutsche Linkspartei und die westdeutsche Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG).

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Die beiden Vorsitzenden: Oskar Lafontaine und Lothar Bisky.

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Berlin - Wer eine Partei gründen will, muss bald aufstehen. Schon um sieben Uhr morgens beginnen am Samstag im Berliner Estrel-Hotel die ersten Arbeitskreise zu tagen. Dass die knapp 800 Delegierten dann am Vormittag schon wieder müde sind, liegt aber nicht alleine am frühen Arbeitsbeginn, sondern auch an Lothar Bisky. Der ehemalige PDS-Chef, der nun die neue Linkspartei "Die Linke" gemeinsam mit Ex-SPD-Chef Oskar Lafontaine führt, ist kein guter Redner. Mühsam hangelt er sich von einem Satz zum nächsten, schimpft über die "Gebete vor dem Shareholder-Value" und mahnt, die neue Partei dürfe kein Selbstzweck sein. Der Applaus ist lau und enden wollend.

Zu Mittag aber sind alle wieder hellwach. Auf der Bühne steht nun Lafontaine und er hat den Saal sofort im Griff, als er an Rosa Luxemburg erinnert ruft: "Wir stehen in der Tradition der Arbeiterbewegung." Er schreit, er wettert und es ist gleich klar, wen die neue Linke vor sich hertreiben will: "Die Reformchaoten", die den "Sozialstaat zerstört haben". Außenpolitisch nimmt Lafontaine eine Anleihe bei Willy Brand: "Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen." Er preist den Staatspräsidenten von Venezuela, Hugo Chávez, und beschimpft Tony Blair sowie George Bush als Terroristen.

Das kommt gut an bei seiner neuen Partei und als Lafontaine und Bisky am Nachmittag wie zwei aufgeregte Erstklässler auf das Ergebnis ihrer Wahl warten, kann sich Lafontaine schon sicher sein, dass er besser abschneidet. Mit 87,9 Prozent wird er schließlich gewählt, sein Co-Vorsitzender Bisky mit 83,6 Prozent.

Überhaupt ist die Stimmung prächtig. "Jetzt geht's lo-os, jetzt geht's lo-os", skandiert der Saal, als um 16.36 Uhr die endgültige Fusion der beiden ungleichen Partner verkündet wird. 60.300 Mitglieder bringt die ostdeutsche Linkspartei (ehemals PDS), 11.500 die westdeutsche Ex-WASG mit.

Westler in Sorge

Vergessen ist in diesem Moment auch der Frust der Frauen, von denen sich keine an der Parteispitze wiederfindet. Und die ehemaligen WASGler verdrängen für diesen Moment ihre Angst, dass die straff geführte und zahlenmäßig haushoch überlegene ehemalige PDS das Projekt dominieren könnte. "Wir müssen uns jetzt alle neu finden. Jetzt gibt es einen Übergangsvorstand, und in einem Jahr werden die Karten neu gemischt", sagt Thomas Mitsch aus Baden-Württemberg zum Standard und fügt hinzu: "Das Projekt ist zu wichtig, wir können intern nicht dauernd streiten." "Sicher wird es in der ersten Zeit noch Differenzen geben. Aber nach und nach werden sich alle von den alten Gedankengängen verabschieden", beruhigt Kurt Zinke aus Sachsen-Anhalt, der jahrzehntelang in der SED Mitglied war.

Wenig Begeisterung zeigen die anderen Parteien über die erste gesamtdeutsche Linke. Wie SPD-Chef Kurt Beck schließt auch dessen designierter Vize, Außenminister Frank-Walter Steinmeier, eine Zusammenarbeit auf Bundesebene aus. Er warnt jedoch davor, die Linkspartei zu unterschätzen: "Die SPD muss sie sehr ernst nehmen. Man müsse den ,Fehdehandschuh aufnehmen' und sich politisch mit den Linken auseinandersetzen. "Wir haben die besseren Argumente", sagt Steinmeier. Scharfe Kritik am von Bisky geforderten "Systemwechsel" kommt von FDP-Chef Guido Westerwelle, der am Wochenende ebenfalls einen Parteitag abhielt: "Wehret den Anfängen - das darf nicht nur gegen rechts gelten." (DER STANDARD, Printausgabe, 18. Juni 2007)