Regisseur Robert Quitta, immer noch gezeichnet von den Qualen des Kuratoren-Gesprächs im vergangenen März.

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Schauplatz Museumsquartier Wien, Dienstag, 20. März ’07, 11.00 Uhr:

Ein verdienter Theatermacher dieser Stadt biegt links vom Haupteingang in den ersten Stock. Klopft an eine Tür, tritt ein. Dort erwarten ihn drei Personen. Der Künstler ist guter Dinge, schließlich kann er auf eine lange Karriere als Regisseur und Autor in der freien Szene in dieser Stadt verweisen. Doch kaum ist er eingetreten, da wird er auch schon angeherrscht: "Kaffee oder Wasser? Oder gar beides?" Ob dieses unerwartet unfreundlichen Empfanges setzt er sich – bereits leicht eingeschüchtert – auf einen Stuhl.

Kaum hat er begonnen, über sein künstlerisches Leben, das er in den Dienst der Stadt Wien gestellt hat, zu erzählen, da wird er auch schon unwirsch unterbrochen. Polyphon und nicht im bekannt wohl temperierten Plauderton. Nein, diese drei – von der Kulturabteilung der Stadt ernannten – Kuratoren scheinen das Procedere einer gepflegten Konversation nicht zu beherrschen. Sie geben ihm unvermittelt zu verstehen, dass sein Oeuvre (an die 50 Folgen theatertauglicher Momente im Leben großer Männer seit 1989) hier und heute nicht im Mittelpunkt des Gespräches steht. Vielmehr fordern ihn die Kuratoren auf, zu seinen theatralen, ästhetischen und konzeptuellen Überlegungen in seinen jüngsten Inszenierungen und den geplanten Projekten zu sprechen.

Schrilles Bohren

Diese ungewohnte Stoßrichtung in der Unterhaltung wirft den Regisseur aus der Bahn. Aber die Kuratoren kennen kein Erbarmen. Bohren sie doch – immer schriller und lauter werdend – unermüdlich weiter. Immer noch wollen sie diskutieren und noch mehr erfahren über seine künstlerischen Zugänge: Fragen zu dramaturgischem Aufbau, szenischer Umsetzung, räumlichen Lösungen, Schauspielerführung und Probenprozessen werden vehement an ihn herangetragen.

Der verdienstvolle Theatermacher ist irritiert, mit zunehmendem Verlauf des Gespräches (das unverständlicherweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfindet) erschüttert.

Doch plötzlich dämmert es ihm: sitzt er doch drei Menschen gegenüber, die kein wie auch immer geartetes Luziditäts-Zertifikat, das sie als gleichberechtigte Gesprächspartner oder gar Entscheidungsträger ausweisen würde, vorlegen können. Er begreift, dass hier elementare Versäumnisse vorliegen. Versäumnisse, die nur teilweise den, vom Kulturamt ausgewählten, Experten angelastet werden können. Vielmehr sind sie über ihr Jobprofil (im Gegensatz zu jedem Banklehrling) nicht in Kenntnis gesetzt worden. Sie befinden sich in dem Irrglauben, dass tägliche Besuche von Aufführungen, das Lesen von Konzepten, die Diskussionen mit den Künstlern als Entscheidungsgrundlage für die ausgesprochenen Empfehlungen ausreichen.

Gnadenloses Mobbing

Niemand hat sie informiert, dass eine langjährige lokale Tätigkeit und die einmalige Einladung zu einem auswärtigen Festival in Form einer lebenslangen Förderung (ohne lästige Evaluierungen) honoriert zu werden hat. Somit glauben die Kuratoren in einem rechtsfreien Raum agieren zu können, willkürlich, ohne Rücksichtnahme auf Menschen- und somit Künstlerrechte.

Diese erhellende Erkenntnis macht den Regisseur nachdenklich, betrübt und auch ein wenig müde. Nach zweieinhalb Stunden verlässt er mit geschmeidiger Freundlichkeit, milde lächelnd, den kalten Raum. Er hat begriffen, dass auch er eines der zahlreichen Mobbing-Opfer dieser Kunstbarbaren geworden ist. Angela Glechner, André Turnheim, Marianne Vejtisek, (seit 1. 2. 2007 Kuratoren der Stadt Wien für die Freie Tanz- und Theaterszene Wien (DER STANDARD, Printausgabe, 19.06.2007)