Hahn Willi

Foto: derStandard.at/Schersch

Spazieren gehen mit Hirtenhund Leonie

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Vorsichtig streicheln

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Mustafa nimmt den Hahn auf den Arm

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Die Hasen und Meerschweinchen sind geduldig

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"So weich"

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Es herrscht bereits reger Betrieb im Haus von Jugend am Werk Standort Wurlizergasse im 16. Wiener Gemeindebezirk. Mit Michaela T. fahren wir vom ersten Stock ins Erdgeschoß – sie sitzt im Rollstuhl. Es geht ins Foyer zur tiergestützten Therapie. Langsam treffen auch die anderen Kollegen ein. Gespannte Vorfreude ist im Raum zu spüren, denn die Tiertherapeutin hat sich wieder etwas verspätet, schließlich muss sie mit mehreren Tieren im Auto anreisen.

Endlich ist es so weit

Dann öffnet sich die Tür und ein lautes Krähen kündigt Margit Diendorfer mit ihren Therapietieren an: Hirtenhund Leonie, der kleine Hund Boschena, mehrere Hasen und Meerschweinchen und Gockel Willi sind augenblicklich Mittelpunkt des Geschehens. Sie tummeln sich mitten unter den Menschen, die verschiedenste körperliche und geistige Defizite haben. Die allgemeine Ruhe ist nun der Aufregung gewichen. Statt den Kaffeetassen gibt es nun Decken und Futter für die Tiere auf den Tischen.

Sensibler Umgang mit den Tieren

"Ich bin ein Hundefreund", stellt sich Rudolf K. vor - er hat ein geistiges Handicap. Sofort bekommt er ein Begrüßungsküsschen von Boschena und man merkt deutlich, wie ihm der kleine Hund ans Herz gewachsen ist. Die Menschen reagieren unterschiedlich auf die Tiere: Martin B., er leidet unter Trisomie 21, dem Downsyndrom, ist die ganze Zeit völlig ruhig und streichelt ganz vorsichtig einen Hasen. Andere kämmen die Meerschweinchen. "Ganz langsam bürsten", mahnt Betreuerin Ute Hennig. "Nicht zu fest drücken", rügt eine Kollegin Regine S., die ein geistiges Handicap hat, als sie ein Meerschweinchen an sich drückt. "So weich fühlt sich das an", meint sie, als sie ein anderes Mal einen Hasen streichelt.

Nicht immer können die Menschen abschätzen wie vorsichtig man die Tiere behandeln muss, aber sie entwickeln dadurch mehr Feingefühl und haben offensichtlich Spaß an der Therapie. Für Betreuerin Maria Ramminger ist es so leichter auf die Menschen einzugehen: "Man merkt, dass es ihnen gut dabei geht", meint sie.

Selbstvertrauen gewinnen

Mustafa Ö. schnappt sich sofort den riesigen Hirtenhund und geht im Hof eine Runde mit ihm spazieren. Danach bringt er Wasser für Hahn Willi. Man merkt ihm an, dass er durch die Anwesenheit der Tiere aufblüht. Er hat eine Lernbehinderung und dadurch, dass er ursprünglich aus der Türkei stammt, hat er auch noch mit der Sprachbarriere zu kämpfen. Die Tiere geben ihm Selbstbewusstsein. "Wer traut sich Willi füttern", fragt Margit Diendorfer, die die tiergestützte Therapie anbietet, in die Runde. Der zutrauliche prächtige Gockel pickt vorzugsweise Körner aus Menschenhänden. "Der ist ganz schön schwer", stellt Mustafa fest, der den Hahn sogar auf den Arm nimmt.

"Tiertherapie ist super", betont Michaela T. immer wieder. Sie hatte einmal zwei Katzen, jetzt kann sie aber selbst keine Tiere mehr haben, weil es für sie als Rollstuhlfahrerin schwer ist, die Verantwortung zu übernehmen. Darum ist sie immer dabei, wenn die Therapietiere da sind und passt auch auf, dass die anderen die Tiere gut behandeln.

Beobachtbare Erfolge

"Die Menschen sind während und nach der tiergestützten Therapie entspannter und gelassener, es bringt ihnen Abwechslung und sie sind deutlich gelöster. Sie kommen mehr aus sicher heraus als sonst", erzählt Ute Hennig über die Erfolge durch die tiergestützte Therapie. Margit Diendorfer kommt seit rund einem dreiviertel Jahr einmal im Monat zum Standort Jugend am Werk. Sie besucht auch noch verschiedene andere Institutionen wie Altenheime oder sonderpädagogische Kindergärten. "Wir merken deutliche Erfolge. Auch bei nicht so zugänglichen Menschen sieht man ein Lächeln im Gesicht, wenn die Tiere da sind", bestätigt auch Andreas Irmler, Leiter des Standorts Wurlizergasse.

Ruhe kehrt ein

Nach einer Stunde mit den Tieren werden Mensch und Tier ruhiger, gelöste Stimmung macht sich bemerkbar. "Gegen Ende hin löst sich die Gruppe entspannt auf, man merkt, zu Beginn geht es viel turbulenter zu", erklärt Diendorfer. Und tatsächlich ist wieder Ruhe eingekehrt, die Menschen haben ein Lächeln im Gesicht und fragen wann sie denn wieder kommt. (Text: Marietta Türk, Bilder: Ursula Schersch, derStandard.at, 20.6.2007)