Mit Marijana Miljkovic sprach Ulrike Pröbstl über künstliche Beschneiung und die Schwierigkeit der Wissenschaft, konkret zu sein.

Standard: Bei Ihrem Forschungsprojekt in Schladming haben Sie versucht, Modelle zu entwickeln, wie man irgendwann auch ohne Schnee Tourismus betreiben kann. Ist Ihnen das gelungen?

Pröbstl: Unser Ziel ist zunächst, die einheimische Bevölkerung zu sensibilisieren. Das Thema überfällt den Tourismus fast aus dem Nichts. Obschon man das länger hätte wissen können, setzt sich die Tourismusbranche erst jetzt mit dem Problem auseinander. Die Klimadaten werden schon seit 20 Jahren hochgerechnet. Mit der Seilbahngesellschaft, den Leuten vor Ort und mit dem Bürgermeister wollen wir Adaptionsstrategien entwickeln.

Standard: Ist eine der Strategien schon fertig?

Pröbstl: In Schladming haben wir gesagt, dass wir den Sommer stärken und die Abhängigkeit vom Winter reduzieren wollen. Das heißt jetzt nicht, dass man morgen mit Sommerangeboten die Welt bestürmt, sondern dass man einfach ein Konzept entwickelt, sich selbst regelmäßig misst und schon Investitionen darauf abstellt. Wir sagen: "Wir machen Ersatz- und Qualitätsverbesserungen am Skigebiet, aber keine Neuanlagen." Dass ein Ort da mitmacht, ist beachtlich, weil eigentlich niemand mit Klimawandel verbunden in den Medien vorkommen will. Denn als berichtet wurde, dass kein Schnee gefallen ist, hat man unterstellt, dass da auch keiner war. Und vielfach wurden die guten Bedingungen nicht ausgenutzt.

Standard: Es wurde heuer viel mit Kunstschnee beschneit. Welche ökologischen Folgen hatte das?

Pröbstl: In diesem Winter haben viele Gebiete mit künstlicher Beschneiung die Saison gerettet. Grundsätzlich kann man sagen, dass die Auswirkungen auf beispielsweise Weideflächen nicht so schlimm, mit zunehmender Höhe aber gravierend sind. Die kritische Höhe wäre ab 1500 Metern, wo die Auswirkungen der Revitalisierung von Baumaßnahmen schlechter ist. Bisher hat die Beschneiung die Löcher unten, zwischen 800 und 1200 Meter, gestopft. Wenn aber weiter nach oben beschneit wird, dann wird auch die Regenerationszeit der Pflanzen beeinträchtigt und die ökologischen Probleme fangen an.

Standard: Aber spielen nicht auch die Belastungen aus dem Wasser eine Rolle?

Pröbstl: Wasser ist sicher ein wichtiges Stichwort. Wenn den ganzen Sommer über für Speicherseen gesammelt wird, ist das nicht so schwer wiegend, wie wenn ich aus einem Fluss, der im Winter sowieso kein Trinkwasser hat, Wasser nehmen muss. Wenn dieses nicht ganz sauber ist, bringe ich Nährstoffe auf meine Wiesen, und das ist nicht so gut. Die Wassermangelsituation könnte sich auch auf verschiedene Lebewesen niederschlagen, wie zum Beispiel die Wasseramsel. Die taucht nach ihrer Nahrung, und wenn wenig Wasser da ist, dann verhungert sie praktisch. Das hat auch Auswirkungen auf die Fischfauna und Kleinlebewesen im Wasser. Wasser aus den Speicherseen ist die verträglichere Lösung. Diese sollten aber naturfern ausschauen, damit sich dort nicht Tiere ansiedeln, die im Winter mit dem Wasser ausgepumpt werden.

Standard: In Zusammenhang mit Beschneiungsanlagen wird auch immer der große Energieverbrauch kritisiert.

Pröbstl: Der Energiebedarf ist nicht wegzudiskutieren, wobei ich ein bisschen vorsichtig wäre, das in den Mittelpunkt zu stellen. Der Tourismus und die Infrastruktur sind an sich sehr energieintensiv, da kann ich zum Beispiel auch nicht nur die Sauna herausnehmen.

Standard: Die Schladminger wurden wachgerüttelt. Warum klappt es bei anderen nicht?

Pröbstl: Wenn immer erzählt wird, was im Jahr 2100 passieren wird – fühlen Sie sich betroffen? Die Wissenschaft als Kollektiv hat es versäumt, in einer Sprache zu sprechen und Daten zu liefern, die man auch versteht. Mir sind im Projekt auch die Augen aufgegangen. Insofern, als die Schladminger Zahlen für 2015 wollen. Das erleben nämlich die meisten noch ganz gut. Da müssen Investitionszeiträume diskutiert werden und im Tourismus sind das maximal zehn Jahre. Also muss ich immer sagen, in zehn Jahren sieht das so und so aus. Die Klimaforschung hat das Problem, dass sie nicht so genau weiß, wie es aussieht.

(DER STANDARD, Print-Ausgabe, 22. Juni 2007)