Einblicke in die gegenwärtige Verfasstheit der Hamas bot am 20. 6. in der "New York Times" ein Beitrag von Ahmed Yousef, dem politischen Berater des palästinensischen Premiers Ismail Haniya:

"Die Ereignisse der letzten Tage in Gaza wurden im Westen als Staatsstreich dargestellt. Im Grunde waren sie genau das Gegenteil. Vor 18 Monaten hat unsere Partei die Parlamentswahlen gewonnen, Premier Haniya trat sein Amt zwar an, die eigentliche Machtübergabe durch die Wahlverliererin Fatah hat jedoch nie stattgefunden. Der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas hat nun sogar versucht, die gewählte Hamas-Regierung durch die Fatah zu ersetzen, während viele unserer Abgeordneten in israelischen Gefängnissen dämmern. Darin besteht der eigentliche Staatsstreich.

Seit dem Wahlgewinn im Jahre 2006 hat die Hamas der Fatah im Sinne vereinter Kräfte eine gemeinsame Regierung angeboten, versucht der internationalen Gemeinschaft ihren Friedensplan darzulegen und hat sogar einen 10-jährigen Waffenstillstand mit den Israelis angeboten, um in Ruhe unsere Differenzen beizulegen. Von all dem haben die westlichen Medien keinerlei Notiz genommen.

Auch ist vielen Menschen im Westen nicht klar, dass die Unruhen im Gaza und im Westjordanland durch die Amerikaner und Israelis ausgelöst wurden, die jene Teile der Fatah-Opposition mit Waffen ausgestattet haben, die uns jetzt aus dem Amt drängen wollen. Seit 18 Monaten streben wir eine Koexistenz mit der Fatah an, und wir haben bis zum letzten Moment verhandelt, um in den Straßen Gazas Sicherheit für alle Angehörigen unseres Volkes zu gewährleisten.

Leider hat sich herausgestellt, dass nicht alle offiziellen Fatah-Mitglieder seriös verhandeln: Letzte Woche gab es versuchte Anschläge auf Premier Haniya. Schließlich wurden wir gezwungen, die Kontrolle zu übernehmen, um Recht und Ordnung herzustellen. Zum ersten Mal seit langer Zeit sind die Straßen Gazas wieder ruhig.

Wir hoffen nun ein Klima des Friedens zu schaffen, das den Weg ebnet für eine Beilegung unseres internen Zwistes. Wir wehren uns gegen jegliche Versuche, die Hamas als extremistische Kraft hinzustellen. Wir glauben weiterhin an einen Langzeit-Waffenstillstand, jedoch nur unter der Bedingung, dass sich die internationale Gemeinschaft auf die Hamas als Verhandlungspartner einlässt. Jegliche weitere Versuche, uns zu marginalisieren, zeigen, dass die israelische und die US-Regierung an einem Ende der Gewalt nicht ernsthaft interessiert sind. Unparteiische Beobachter werden in den nächsten Wochen die Gelegenheit haben, sich ein eigenes Bild über die wahren Absichten auf beiden Seiten zu machen." (DER STANDARD, Printausgabe, 22.6.2007)