Wenn die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten in ihren Wagenkolonnen vor dem EU-Ratsgebäude vorfahren, werden sie von einem Österreicher begrüßt. Hans Brunmayr ist seit 1995 Generaldirektor und Protokollchef des Rates. Ob Tony Blair gut drauf ist und sein Pokerface aufgesetzt hat und Romano Prodi noch zerstreuter als sonst ist, ob der Gipfel in lockerer oder eher angestrengter Atmosphäre ablaufen wird - Hans Brunmayr hat in den Jahren seine Gäste einzuschätzen gelernt.

Er hat strahlende Sieger aus dem Gebäude geleitet und frustrierte Verlierer verabschiedet. Jacques Chirac begrüßte ihn wie einen alten Freund, während Silvio Berlusconi bei der Begrüßung durch ihn durch sah. "Um mich wenig später im Sitzungssaal überschwänglich zu umarmen. Er hat mich offenbar mit einem Minister verwechselt," erinnert sich Brunmayr im Gespräch mit dem Standard.

Angela Merkel sei "unendlich freundlicher" als ihr Vorgänger Gerhard Schröder, der "sehr launisch" auftrat und schwer zu behandeln war, denn er war "immer ungeduldig. Da hat er zu seinem Außenminister Fischer gepasst".

Auch die Vorbereitung des Gipfels zusammen mit den Vorsitzländern gehört zu den Aufgaben Brunmayrs. Manchmal trieben die Begehrlichkeiten eitler Staatenlenker den Generaldirektor zur Verzweiflung. Etwa, als Berlusconi nicht nur die Hallen des Rates mit unzähligen römischen Plastiksäulen schmücken ließ, sondern auch noch die roten Teppiche durch beige ersetzen ließ, da diese besser zum braunen Teint des Italieners passten.

Der aktuelle deutsche Sommergipfel ist der 26. und letzte, den Hans Brunmayr im Rat verantwortet. Mit 65 Jahren tritt er in den Ruhestand. Er ist einer der letzten aktiven Diplomaten, die noch Österreichs Beitrittsverhandlungen geführt haben. Lächelnd blickt er auf die Ängste zurück, die mit dem Beitritt verbunden waren, wie Läuse im Joghurt, Deutsche, die Kitzbühel aufkaufen, ein Ansturm portugiesischer Bauarbeiter: "Alle Übergangsregelungen, die wir forderten, wurden nicht gebraucht. Wo wir solche Regelungen benötigt hätten, beantragten wir sie nicht." Österreich habe lange nicht begriffen, was es heißt, in Brüssel dabei zu sein.

Für Heiterkeit war in der EU-Frühphase Österreichs gesorgt: Als etwa der damalige Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer im Bereich des Tiertransportgesetzes vom österreichischen Parlament kaum Verhandlungsspielraum bekam, in den EU-Verhandlungen auf einen Kompromiss nicht eingehen konnte und wieder mit dem Parlament reden wollte. Molterer telefonierte dann um zwei Uhr früh verzweifelt und erreichte endlich im Parlament jemanden: den diensthabenden Feuerwehrmann. (Michael Moravec/DER STANDARD, Printausgabe, 22.6.2007)