Wien - Der Schriftsteller und Essayist Robert Menasse, Gewinner des österreichischen Staatspreises für Kulturpublizistik 1998, hat am Mittwoch in Wien den von ihm initiierten Jean-Amery Preis für Essayistik vorgestellt. Menasse, der dafür sein Staatspreis-Geld in der Höhe von 100.000 Schilling gestiftet hat, will mit seinem "Versuch, einen Staatspreis zu privatisieren" die intellektuelle Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung in Österreich und Europa fördern, ohne die PreisträgerInnen einer Debatte um das so genannte StaatskünstlerInnentum auszusetzen. Insgesamt ist der Jean-Amery Preis, der alle zwei Jahre verliehen werden soll, mit 250.000 Schilling dotiert. Damit ist die Auszeichnung der höchstdotierte Essay-Preis im deutschen Sprachaum. Menasse hat dafür als Partner die Creditanstalt und den deutschen Verlag Klett-Cotta gefunden, Amerys Haus-Verlag. Mit dem Preis soll nicht ein bestimmtes Werk, sondern eine kontinuierliche intellektuelle Arbeit gewürdigt werden. Die PreisträgerInnen werden ohne Einreichungen aus dem gesamten deutschen Sprachraum gewählt. Internationale Jury In der internationalen Jury sitzen die Journalistin Sigrid Löffler, der Germanist, Literaturwissenschafter und Kritiker Peter Demetz, die Autorin und Essayistin Ruth Klüger, weiters Irene Heidelberger, die Autorin der Jean Amery Biografie und Herausgeberin seiner Gesamtausgabe sowie Heinz Ludwig Arnold, Herausgeber von "Text und Kritik" und des Kritischen Lexikons der Gegenwartsliteratur. Die Jury ist für die nächsten drei Preisvergaben bestellt. Menasse selbst hat darin kein Stimmrecht, wünscht sich aber gerade für das erste Mal und angesichts der politischen Lage in Österreich einEn heimischEn PreisträgerIn. Dieser oder diese wird am 30. August gekürt. Die Preisverleihung findet jeweils in verschiedenen Städten des deutschen Sprachraums statt, das erste Mal Ende Oktober in Wien. Unideologisch Die Wahl von Jean Amery (1912-1978) als Namensgeber für den Preis ist für Menasse "paradigmatisch" gerade in der aktuellen politischen Situation in Österreich. Der österreichische Schriftsteller und Journalist jüdischer Abstammung hatte nach KZ-Aufenthalten Jahrzehnte im belgischen Exil verbracht, ohne offiziell zu einer Heimkehr eingeladen zu werden. Erst um sich das Leben zu nehmen, kehrte er nach Österreich zurück, wo er in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt ist. Amerys Schreibweise ist für Menasse vorbildlich in ihrem "unideologischen, dialektischen, fast klassisch aufgeklärten Anspruch". Es habe, so Menasse, bereits vor rund 15 Jahren einen aus Amerys Nachlass gespeisten Jean-Amery-Essaypreis gegeben, den Amerys Witwe aber schließlich wieder eingestellt habe, weil die Jurorenkosten höher als das Preisgeld gewesen seien. Von dem neuen Essaypreis sei sie begeistert, so Menasse. Mit seiner Initiative will Menasse allerdings nicht den Staat aus seiner Verantwortung für die Kulturförderung entlassen. "Die Frage ist, was kann man als Intellektueller tun, um das Vakuum, das durch die Konzeptlosigkeit der Kulturpolitik entsteht, zu füllen?". (APA)