Straßburg/Wien - Ausgerechnet 162 km/h, fragten sich am Freitag viele verblüfft, warum sollen genau 162 km/h jenes Geschwindigkeits-Limit sein, das für neue Autos in der Europäischen Union "aus Klimaschutzgründen" ab 2013 angeblich technisch vorgegeben sein sollte. Dies meldete die deutsche Boulevardzeitung Bild. Worauf die Emotionen unter Autofahrern hoch gingen.

Meilen-Spiele

Die Antwort ist banal: Eine britische Meile entspricht 1,62 Kilometern. Und der Vorschlag stammt vom liberaldemokratischen britischen EU-Abgeordneten Chris Davies. Dieser hatte als präsumptives Tempolimit kurzerhand "100 miles" angesetzt. Sein Initiativantrag soll im Parlament in Straßburg in der kommenden Woche im Umweltausschuss besprochen werden.

"Jeder Abgeordnete ist frei in seinen Vorschlägen", sagt Richard Seeber, Umweltsprecher der ÖVP-Delegation im Europäischen Parlament. Davies' Antrag habe voraussichtlich "null Chance", auch nur die Behandlung im Ausschuss zu überstehen. Dass die Kommission oder gar der Rat der Mitgliedsländer einer Verpflichtung zur elektronischen Motorabregelung bei 160 km/h zustimmen, sei "gänzlich undenkbar". Die deutsche Autoindustrie, deren Produkte oft schneller als 200 km/h fahren (auf dortigen Autobahnen erlaubt), sei eine mächtige Lobby, die im Falle einer Weiterverfolgung der Idee die Karte der Standort- und Arbeitsplatzgefährdung spielen würde. Auch bei den kommenden CO2-Limits für Pkw (120 Gramm pro Kilometer ab 2012) verhinderten die Deutschen schärfere Vorschriften.

Blondinen-Warnung

Der 53-jährige Chris Davies gilt in Straßburg und Brüssel einerseits als spleeniger Engländer aus dem Nordwesten der Insel, der immer wieder mit Skurrilitäten auf sich aufmerksam macht: So machte er sich für ein Verkaufsverbot von Hunde- und Katzenfellen aus Fernost stark, warnte Europas Blondinen vor hautschädlichen Haarbleichmitteln oder regte an, aus Klimaschutzgründen weniger Fleisch zu essen, um die Zahl der "furzenden Kühe" zu verringern. Davies gilt als Medien-Vollprofi, der seit 1974 im politischen Geschäft ist und genau wisse, womit man europaweit in die Schlagzeilen komme, heißt es in Brüssel. Die Initiative des Briten nahmen FPÖ und BZÖ zum Anlass, gegen "die EU" zu wettern: "Hört auf mit Gurkenkrümmungen, Kondom-Normen und neuerdings Tempobremsen"; "EU entmündigt Bürger und gefährdet hunderttausende Arbeitsplätze". (Leo Szemeliker, DER STANDARD Printausgabe, 23.6.2007)