Mitbegründer des Austropop: Mit Georg Danzer geht ein wesentliches Kapitel der österreichischen Musikgeschichte zu Ende.

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Der große wie großartige Austropop-Gründervater Georg Danzer bei seinem letzten, berührenden Konzert am 17. April dieses Jahres in der Stadthalle.

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Wien – Zeitgleich mit seinem Freund Wolfgang Ambros revolutionierte er Anfang der 70er-Jahre die österreichische Popmusik. Immerhin brachte Georg Danzer damals mit einem seiner ersten Lieder, dem 1972 im Gefolge von Ambros‘ psychedelisch angehauchtem, das goldene Wiener Herz zurück in den Dreck ziehenden Lynchjustiz-Song Hofa veröffentlichten und heute noch erstaunlich klingenden Tschik, für mindestens ein Jahrzehnt lang Popmusik ureigenst österreichischer Prägung zum Blühen.

Die Rede ist hier von – so wie Georg Danzer selbst – aus einem Gemeindebau des Gaudenzdorfer Gürtels stammenden Blumen des Bösen. Immer mit gehörig verschlurftem Schmäh gedüngt, aber gefährlich! Leicht grantelnd, oft an der Kippe von raunzigem Einverständnis und sich selbst verklärendem Klischee vorgetragen. Der Tschik mit seinem kaputten Grummelgesang nahm damals nicht nur einen Tom Waits um einige Jahre vorweg. Gerade auch hinsichtlich des Danzerschen Rollenspiels, für das er die Perspektive eines traurigen, desillusionierten Wiener Sandlers wählte. Das Lied läutete damals die klassische Zeit des Austropop ein.

An dessen frühe und über die Jahre von zahllosen Nachahmern oder Schülern (von Sigi Maron bis zu Reinhard Fendrich) adaptierte, allerdings zunehmend als Schablone gedeutete Höhepunkte erinnert man sich durch frühe Danzer-Alben wie Der Tschik, Der Tätowierer Und Die Mondprinzessin, Ollas Leiwaund oder Jö Schau. Inklusive späterer Klassiker wie Geh In Oasch, Du Mi A, Der Wixer-Blues, De Kinett‘n Wo I Schlof, A Gulasch Und A Seidl Bier, Hupf In Gatsch oder War Das Etwa Haschisch? bis hin zu in RAF-Zeiten höchst umstrittenen Liedern wie Mach Dich Nicht Mit Gewalt Kaputt für – oder Wir Werden Alle Überwacht gegen „den Staat“.

Wir hören illusionslose wie präzise, oft phlegmatisch und selbstmitleidig, meist aber aufsässig und latent-aggressiv gedeutete Alltagsbeobachtungen aus dem Milieu der kleinen bis größeren, aber letztlich immer mit Klo auf dem Gang geschlagenen Wiener „Kleinbürger“ und Vorstadtbewohner. Diese wurden in ihrem künstlerischen Ansatz mit breitem ostösterreichischen Idiom zumindest musikalisch immer mit höhnisch durch die Nase gesungenen Texten in die Nähe seines übermächtigen Vorbilds Bob Dylan gebracht; als dieser Mitte der 60er-Jahre „elektrisch“ wurde. Seinen kommerziellen Höhepunkt erreichte der aus bescheidenen Verhältnissen stammende Danzer Anfang der 80er-Jahre. Nach einem Umzug nach Deutschland wechselte er ins hochdeutsche Fach. Er engagierte sich mit Titeln wie Frieden in der politisch gedeuteten Alternativbewegung, kehrte allerdings nach persönlichen und familiären Krisen und Hits wie Weiße Pferde 1990 mit dem Album Wieder In Wien in seine Heimat zurück. 2001 veröffentlichte Danzer die grandiose wie grandios versaute Songsammlung 13 Schmutzige Lieder, nachdem ihm trotz unermüdlicher Musikproduktion und einem immer noch mitunter beängstigenden Naheverhältnis zur „Stimme des Volkes“ nach einer längeren Zeit im medialen Aus zwei Jahre zuvor gemeinsam mit Wolfgang Ambros und Reinhard Fendrich mit dem zugunsten der Obdachlosenhilfe initiierten Projekt Austria 3 endlich wieder Erfolg zuteil wurde.

Im April 2000 wurde Georg Danzer schließlich auch als Obmann der Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch aktiv. Und er näherte sich mit Alben wie Von Scheibbs Bis Nebraska (2005) und zuletzt Träumer (2006) obendrein wieder seinen besten Zeiten während der 70er-Jahre.

Nachdem 2006 beim jahrzehntelang passionierten Raucher Georg Danzer Lungenkrebs diagnostiziert wurde, nahm er mit ebenso großer Bestimmtheit wie Gelassenheit den Kampf gegen die Krankheit auf. Zuletzt sah man ihn, der aus seinen eigenen Befindlichkeiten und Wehwehchen nie große Umstände machte, Mitte April zwar von den Chemotherapien geschwächt, aber souverän auf der Bühne der Wiener Stadthalle im Kreise seiner Freunde Ambros, Fendrich, Marianne Mendt oder Willi Resetarits bei einem krankheitsbedingt zum 60. Geburtstag im Oktober 2006 nachgereichten, berührenden Konzert.

Die Luft herein! Wie es seine Art war, klang der Abend alles andere als bitter aus. A Mensch Möcht I Bleiben und Lass Mi Amoi No D‘Sunn Aufgeh Segn, zwei der schönsten, die Fenster aufreißenden und die Luft hereinlassenden Lieder, die je in diesem engen, muffigen Land geschrieben wurden, waren da zu hören.

Georg Danzer ist am Donnerstag im Kreise seiner Familie dem Krebs erlegen. Als zentraler Komponist der heimischen Popmusik hinterlässt er an die 400 aus seiner Feder stammende Lieder, nicht wenige davon Klassiker. Sie ließen sich nie von Zeitläuften oder Moden beirren, hielten stets mit großer Bestimmtheit und wohl auch oft mit Galgenhumor an einem fest. Musik darf mitunter ruhig auch einmal ein wenig sentimental und ein bisschen wehleidig werden. Eines aber geht nicht länger: Spätestens seit den Liedern von Georg Danzer wird es ohne Würde, Mut, schwarzen, aber menschenfreundlichen Humor und unbeirrbare persönliche Integrität beim Singen sicher nicht mehr gehen. (Christian Schachinger/ DER STANDARD, Printausgabe, 23./24.06.2007)