EU-Chefdiplomat

Wirtschaftlich ein Riese, politisch aber ein Zwerg: Diese Schwäche der EU ist auch darauf zurückzuführen, dass es bisher keine einheitliche Außenpolitik gegeben hat.

Die Außenminister der Mitgliedstaaten vertreten die differierenden Landesinteressen. Auf EU-Ebene gibt es die EU-Außenkommisarin Benita Ferrero-Waldner und den Hohen Beauftragten des Rates für Außenpolitik, Javier Solana. Diese beiden Funktionen sollen durch einen "Hohen Beauftragten der EU für Außen- und Sicherheitspolitik" ersetzt werden, der dem Rat der Außenminister vorsitzt und gleichzeitig stellvertretender Präsident der EU-Kommission wird. Dadurch soll die EU zu einer einzigen "Stimme nach außen" finden. Auch der Rat soll einen fixen Chef bekommen: Der EU-Ratspräsident soll für zweineinhalb Jahre gewählt werden und mehr Kontinuität bringen. Frankreichs Nicolas Sarkozy hat den scheidenen britischen Premier Tony Blair für diese Funktion vorgeschlagen. Trotz Ratspräsidenten wird aber der halbjährliche Wechsel der Vorsitzländer beibehalten.

Mehr Parlament

Das EU-Parlament als einzige direkt gewählte EU-Institution wird durch den Reformvertrag deutlich aufgewertet. Das bisherige System der "drei Säulen" wird aufgelöst.

Bisher hatte das Parlament nur im Bereich der ersten Säule, dem Gemeinschaftsrecht, (z.B. Forschung, Sozialpolitik, Binnenmarkt) volles Mitspracherecht. In der zweiten Säule, der Außen- und Sicherheitspolitik, konnte es nur bedingt mitentscheiden, und die dritte Säule (Justiz und Inneres) war ausschließlich Ländersache. Nach dem Reformvertrag wird das Parlament in allen Bereichen bis auf die Außenpolitik und Einzelteile des Budgets ein Mitspracherecht bekommen.

EU-Grundrechte

Die Grundrechtscharta ist das Herzstück des Reformvertrages und heiß umstritten. Die Charta schreibt die traditionellen Grundrechte wie freie Meinungsäußerung und Religionsfreiheit, aber auch soziale Rechte wie den Anspruch auf Bildung und angemessene Arbeitsbedingungen fest und geht damit über die meisten nationalen Grundrechtskataloge hinaus.

Die Grundrechtscharta ist allerdings nur auf EU-Gemeinschaftsrecht anzuwenden. Dennoch streiten Juristen, ob nicht über die Charta auch das in der nationalen Verantwortung liegende Arbeitsrecht "ausgehebelt" werden könnte. Großbritannien lehnt deswegen die Charta prinzipiell ab.

Neues Stimmrecht

Die zentrale Frage beim Reformvertrag dreht sich um die zukünftige Machtverteilung in der EU. Wieviel Gewicht bekommt jedes einzelne Land in den Ministerräten? Darüber wird heftig gestritten. Die Frage ist um so wichtiger, als auch vorgesehen ist, in einigen Bereichen wie Justiz und Inneres Mehrheitsentscheidungen auch dort zuzulassen, wo es früher nur einstimmige Beschlüsse gab.

Dem Reformvertrag zufolge werden die Stimmrechte eines Landes aus der Bevölkerungszahl abgeleitet, was Deutschland im Vergleich zu den derzeitigen Stimmrechten deutlich stärken würde. Derzeit hat Deutschland mit rund 82 Millionen Einwohnern 29 Stimmen im Rat, Polen mit 38 Millionen Bürgern hat 27. Zukünftig hätte Deutschland 11,66 Prozent der Stimmrechte, Polen aber nur noch 5,71 Prozent - was Polen zur Forderung nach einem anderen Berechnungsmodus ("Quadratwurzel") brachte. Mehrheitsbeschlüsse benötigen zukünftig die Stimmen von 55 Prozent der Länder, die auch 65 Prozent der EU-Bevölkerung vertreten müssen.