Was über den Klimawandel an die Öffentlichkeit kommt, wird davor vielfach überprüft. Fehldiagnosen wie beim Waldsterben sollten daher nicht passieren.

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Tagesmitteltemperatur Linz

Grafik: STANDARD, Quelle: ZAMG
STANDARD: Der Wald ist ziemlich robust - was passiert mit ihm im Klimawandel?

Grabherr: Ein Baum kann mehrere hundert Jahre alt werden. Wenn eine Buche einmal steht, dann steht sie und hält relativ viel aus, also wird der Wald, in dem jene Bäume stehen, die auch dorthin gehören, noch lange halten. Wo ich Probleme sehe, sind Wälder, die mit standortfremden Gehölzen aufgeforstet sind, mit Fichten statt Buchen zum Beispiel. Dort kann es der Fichte schneller schlecht gehen, weil sie auf einem Standort steht, der ihr von Natur aus nicht optimal passt.

STANDARD: Das heißt, der Mensch ist Schuld daran, dass die Fichte standortfremd gesetzt wurde, dadurch schwächer und ein leichtes Opfer des Borkenkäfers ist?

Grabherr: Es gibt auch Fichten-Monokulturen, die natürlich sind und da können Borkenkäfer auch auftreten. In den Bergen, in der Höhe von 800 bis 2000 Metern, gibt es natürliche Fichtenbestände - je weiter oben, desto stärker ist diese Baumart vertreten. Das ist ein Punkt, wo man Sorge haben kann. Wenn es wärmer wird, gehen die Borkenkäfer höher hinauf und verursachen auch in den Bergwäldern Schaden.

STANDARD: Kann man voraussagen, in welchen Gebieten der Wald besonders stark von der Klimaerwärmung betroffen sein wird?

Grabherr: Eine Regel lautet: Je näher ein Wald am Extrem ist, desto eher wird er durch eine Klimaveränderung leiden. In der Schweiz laufen derzeit Studien, wo die Kiefernwälder untersuchen werden, ob sie unter der Erwärmung leiden. Es geht dabei auch darum, ob die Samenreifung stattfinden kann und ob Keimlinge sehr stark unter Hitze und Dürre zu leiden haben. Man geht also davon aus, dass jene natürlichen Wälder, die an der Trockengrenze stehen, sich verändern werden. Fichten, die im Osten Österreichs aufgeforstet wurden, obwohl sie dort nicht hingehören, können sehr stark leiden - und sie haben 2003 zum Beispiel gelitten, aber es gibt auch natürliche Wälder, die durch den Klimawandel bedrängt werden können.

STANDARD: Das, was jetzt mit dem Wald passiert, sind nur die Auswirkungen dessen, was vor Jahrzehnten falsch gemacht wurde. Wie kann man den Wald künftig schützen?

Grabherr: Dazu gibt es eine Reihe von Ideen. Es hängt davon ab, ob wir uns in Gebieten befinden, in denen großflächig Bestandsumwandlungen stattgefunden haben, also von Buche zu Fichte zum Beispiel. Dort könnte man versuchen, die Fichte durch natürliche Baumarten zu ersetzen, etwa durch Eiche oder wieder durch Buche, die vermutlich widerstandsfähiger sind und sich auch regenerieren. Bei natürlichen Wäldern ist es schwieriger. Das Waldbild, das wir in Österreich haben, ist seit 5000 Jahren ziemlich stabil. In den letzten 5000 Jahren, oder zumindest seit der Römerzeit, hat es schon Klimaschwankungen gegeben, die gar nicht so ohne waren. Wir wissen auch, dass in der kleinen Eiszeit im 16. und 17. Jahrhundert die Tanne und die Fichte nach unten gewandert sind. Doch der Wald hat eine relativ hohe Toleranz, ich bin überzeugt, dass es dauert, bis sich Wälder ändern.

STANDARD: Vor mehr als 20 Jahren gab es die Diskussion um das Waldsterben. Das Ende des Waldes wurde prophezeit, doch es ist nicht eingetroffen. Könnte bei den Prognosen im Zusammenhang mit dem Klimawandel nicht Ähnliches der Fall sein?

Grabherr: Beim Waldsterben gibt es mehrere Aspekte. Der erste ist: Man hat Anfang der 80er-Jahre bei der Tanne tatsächlich ein Absterben bemerken können. Plötzlich ist ein Syndrom aufgetaucht, das man nicht erklären konnte. Die Wissenschaft ist überrascht worden, sie hatte kein Wissen darüber. Und das ist auch jetzt ein bisschen der Fall. Wir haben kein Erfahrungswissen und das ist das Problem. Die Wissenschaft wird am linken Fuß getroffen. Punkt zwei: Vor 20 Jahren war die Wissenschaft nicht so weit. Methodologisch, technologisch gab es die Möglichkeiten noch nicht, die es jetzt gibt. Das heißt, die Waldsterbenwissenschafter waren begrenzt in ihren Möglichkeiten. Und drittens, und das ist ein echter Vorwurf: Sie waren einfach zu schnell mit ihren Prognosen. Heute sind die Veröffentlichungen vielfach überprüft. (Marijana Miljkovic/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23./24. 6. 2007)