Fusion

Kaum ein anderes Projekt in der Welt der freien Software hat wohl in so kurzer Zeit eine dermaßen bewegte Geschichte hingelegt wie der Window / Compositing Manager Compiz: Erstmals im Jänner 2006 vorgestellt, sorgten die Desktop-Effekte unter Linux schnell für Furore. Neben einer rasch wachsenden AnwenderInnenschar zog dies auch eine ganze Reihe von EntwicklerInnen an, die neue Effekte für die Software entwerfen wollten.

Streitpunkt

Nicht alle dieser Neuerungen erfüllten aber die Qualitätskriterien von Compiz-"Erfinder" David Reveman, so dass eine steigende Anzahl von Patches extern gewartet werden musste. Ein Problemstoff, aus dem sich schlussendlich im Herbst desselben Jahres mit Beryl eine Abspaltung von Compiz entwickelte. Während man bei Beryl vor allem auf die Kreierung neuer Effekte konzentriert war, standen bei Compiz primär architekturelle Verbesserungen an der Tagesordnung. Ein Umstand, der wiederum zur Folge hatte, dass es zunehmend mühsamer wurde, den Code zwischen den beiden Projekten auszutauschen, die Gefahr einer endgültigen Trennung stand also im Raum.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Reunion

Ein Ausblick, mit dem sich dann doch einige EntwicklerInnen beider Projekte nicht so einfach abgeben wollten, Anfang 2007 begann man damit, auszuloten wie es zu einer Einigung kommen könnte. Und dies mit durchschlagendem Erfolg: Nachdem die zentralen Details abgeklärt waren, verkündete man Anfang April die Reunion, schon zuvor hatten sich einzelne Beryl-EntwicklerInnen wieder an der Compiz-Entwicklung beteiligt.

Namenswahl

Ein nicht ganz unwichtiges Detail hatte man dabei allerdings offen gelassen, nämlich unter welchem Namen das Ganze künftig firmieren soll. Diese Entscheidung hat man nun nachgereicht: Mit Compiz Fusion wurde nun ein symbolträchtiger Name für die wiedervereinigten Communitys gefunden.

Screenshot: Andreas Proschofsky

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Hooks

Durch die seit April vorgenommenen Neuerungen an der Compiz-Codebasis zeigt sich auch schon wie die Zusammenarbeit zwischen dem Kern der Software und Compiz Fusion künftig funktionieren soll: Während in Compiz selbst nur die zentralen Funktionen und Effekte wandern, werden in Compiz Fusion weitere Plugins und Tools versammelt.

Core

Erleichtert wird dies dadurch, dass Compiz mittlerweile Möglichkeiten anbietet, mit denen bestehenden Core-Plugins um zusätzliche Funktionalität erweitert werden können, ohne gleich das ganze Plugin austauschen zu müssen. So gibt es etwa mit cubereflex nun eine Art "Huckepack-Plugin", das dem bekannten Würfel-Effekt von Compiz eine schicke Bodenreflektion verschafft.

Scale

Eine entsprechende Erweiterung findet sich im Compiz Fusion-Angebot auch für das Scale/Expose-Plugin: Mit den Scale Addons werden einige Features der alten Beryl-Version nachgereicht, etwa die Möglichkeit Fenster direkt in dieser Ansicht zu schließen oder einzelne Windows in den Vordergrund zu holen, während die anderen im Überblicksmodus bleiben.

Grafik: Archiv

Arbeitsmodell

Diese Herangehensweise hat natürlich noch einen zweiten bedeutenden Vorteil: Neue Features können in Compiz Fusion getestet und mit dem nötigen Feinschliff versehen werden, bevor sie in den Kern der Software wandern.

Transparenz

Beispielhaft dafür die aus Beryl bekannte Funktion, den Cube semitransparent zu gestalten, wodurch ein Blick auf die dahinter liegenden Workspaces erlaubt ist. Nach längeren Diskussionen ist das entsprechende Feature nun seit kurzem im Compiz-Kern zu finden, allerdings in mehrfacher Hinsicht optimiert. So wird etwa die Transparenz von Haus aus nur mehr aktiviert, wenn die Rotation manuell mit der Maus durchgeführt wird, wodurch man sich einen erheblichen Performance-Overhead beim Wechsel zwischen verschiedenen Workspaces erspart.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Expo

Natürlich haben es sich die Compiz Fusion-EntwicklerInnen aber auch nicht nehmen lassen, in der Zwischenzeit an gänzlich neuen Plugins zu arbeiten. So erlaubt der Expo-Modus einen Überblick über alle verwendeten Desktops, dabei können auch einzelne Fenster zwischen den einzelnen Oberflächen verschoben werden.

Dodge

Nett anzusehen auch der Dodge-Effekt für das schon länger erhältliche Animations-Plugin: Fenster werden beim Wechsel des Fokus sichtbar nach hinten geschlichtet. Ob dies als Visualisierung von Desktop-Vorgängen hilfreich ist, oder eher unnötig ablenkend wirkt, bleibt natürlich dem Bereich des Subjektiven vorbehalten.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Feuer

Nicht jeder der Effekte stellt solche Ansprüche überhaupt, von Zeit zu Zeit geht es einfach nur um die pure Lust an der Spielerei. Wie etwa beim Firepaint-Effekt, mit dem sich brennende Schriftzüge am Desktop verewigen lassen (während man im Hintergrund weiterarbeiten kann). Und wer so etwas nicht benötigt, kann ja das entsprechende Plugin schlicht deaktiviert lassen.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Gears

Und zumindest für Präsentationen oder auch für den einen oder anderen Wow-Effekt bei der eigenen Bekanntschaft reicht es dann noch immer. So erlaubt etwa das frische Gears-Plugin, die klassischen glxgears innerhalb des Würfels zu rendern.

Austausch

Natürlich lässt sich das dann auch mit beliebigen 3D-Objekten durchführen, so gibt es etwa die Idee ein Aquarium im Inneren zu platzieren.

Screenshot: Andreas Proschofsky

Einstellung

Zu Compiz Fusion gehören aber nicht nur neue Plugins: Mit dem CompizConfig Settings Manager ist ein eigenes Einstellungstool mit dabei, das bei der Einrichtung der Software hilfreich zur Hand geht.

Zeitfragen

Wann es eine erste Release von Compiz Fusion geben wird, steht derzeit noch nicht fest. Wer also die neuen Effekte selbst ausprobieren will, muss sich den Code derzeit noch direkt aus dem GIT-Repository holen bzw. darauf hoffen, dass bereits jemand anderer dies getan hat und Pakete für die eigene Distribution zusammengestellt hat. Ein guter Startpunkt für diese Suche sind zum Beispiel die Foren von opencompositing.org. (Andreas Proschofsky)

Screenshot: Andreas Proschofsky