Bild nicht mehr verfügbar.

Labour-Vizevorsitzende Harriet Harman trifft bei Parteichef Brown auf Skepsis.
Foto: APA/AP/Martin Rickett

Kaum war Harriet Harman zur stellvertretenden Vorsitzenden der britischen Labour-Party gewählt worden, da musste die 56-Jährige schon die erste Enttäuschung einstecken. Er werde seine Stellvertreterin zur Generalsekretärin im Kabinettsrang machen, teilte der neue Chef Gordon Brown den Delegierten des Parteitags in Manchester mit. Harman bekommt in Browns Regierung also weder ein einflussreiches Fachressort noch den begehrten Titel der Vize-Premierministerin - ihr Vorgänger John Prescott hingegen hatte sowohl im Partei- wie im Regierungsamt den Boss Tony Blair vertreten.

Sie arbeite seit Langem sehr gut mit Brown zusammen, war Harmans Devise im innerparteilichen Wahlkampf der vergangenen Wochen. Zu eng aber will der nächste Regierungschef die Zusammenarbeit in Zukunft offenbar nicht werden lassen.

Da offenbart sich Browns Skepsis gegenüber der deutlich nach links gerückten Partei. Harman profitierte bei ihrer Wahl vom sensationell guten Abschneiden des Linksaußen Jon Cruddas, der im ersten Wahlgang vor allen anderen fünf Kandidaten lag. In der letzten Runde kam es zur Stichwahl zwischen der Justiz-Staatssekretärin und dem Favoriten, Bildungsminister Alan Johnson - und dank vieler Cruddas-Leihstimmen hatte Harman am Ende mit 50,4 Prozent die Nase vorn.

Inbegriff von New Labour

Die auf rund 180.000 Mitglieder geschrumpfte Partei gab mehrheitlich inhaltlichen Erwägungen den Vorzug vor proletarischer Authentizität. Harman stammt aus einer kleinadeligen Familie, besuchte eine teure Privatschule und zog sich vor zehn Jahren den Zorn der Linken zu, indem sie ihre Kinder außerhalb ihres Bezirkes einschulte. Damals galt die blasse Sozialpolitikerin als Inbegriff von New Labour.

Im ersten Blair-Kabinett amtierte sie ein Jahr lang glücklos als Sozialministerin. Nach drei Jahren Denkpause auf den Hinterbänken des Parlaments durfte sie seit 2001 der Regierung in untergeordneten Positionen dienen, zuletzt im Justizressort. Im Vorjahr machte ihr Mann Jack Dromey Schlagzeilen: Der Gewerkschaftsfunktionär und Partei-Schatzmeister deckte die unappetitlichen Parteispenden von Unternehmern auf, die sich Hoffnungen auf einen Sitz im Oberhaus gemacht hatten. Die polizeiliche Untersuchung der Affäre ist noch nicht beendet.

Harman gilt als unermüdliche Kämpferin für die Gleichstellung der Frau und für mehr Frauen in der Politik, seit sie 1982 hochschwanger bei einer Nachwahl fürs Parlament in Südlondon kandidierte und prompt gewann. Als einziges Regierungsmitglied hat sie sich in den vergangenen Wochen auch klar von ihrer ursprünglichen Unterstützung des Irakkrieges distanziert und eine Entschuldigung der Partei gefordert. (Sebastian Borger/D ER S TANDARD , Print-Ausgabe, 26.6. 2007)