Moore sind auf permanente Durchfeuchtung eingestellt. Dauern Trockenperioden zu lange, sterben die wichtigen Torf aufbauenden Moore ab, warnt Michael Steiner.

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Zur Person
Univ.-Prof. Dr. Gert Michael Steiner studierte Biologie an der Universität Wien und habilitierte sich für Vegetationsökologie mit den Schwerpunkten Moore und Feuchtgebiete. Mit Kollegen aus Großbritannien und Schweden gründete er die Mire Conservation Group, die sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf Moore und umgekehrt sowie mit dem Schutz der Moore auseinandersetzt. Steiner ist wissenschaftlicher Beirat der internationalen Ramsar Convention, die sich der Erhaltung von Feuchtgebieten widmet.

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STANDARD: Die Moore als Feucht-Ökosysteme sind durch Trockenlegungen stark dezimiert worden. Welchen Einfluss haben sie auf das Klima?

Steiner: Die wirklich ausschlaggebenden Moorgebiete für den Klimawandel sind nicht in Österreich zu finden. Wir sind mit 1500 Mooren im Verhältnis ein moorarmes Land, das sind vielleicht 25.000 Hektar und das ist nicht viel. Ich gebe Ihnen eine Zahl, die vielleicht interessanter ist. In Sibirien sind 1,5 Millionen Quadratkilometer Moor. In Amerika insgesamt sind zwei Millionen Quadratkilometer Moor, wobei der überwiegende Teil im Norden liegt. Das ist der Bereich, den man als Boreale Zone bezeichnet, die sich nördlich der Laubwaldzone befindet. Das sind zwei ganz große Konzentrationsgebiete.

STANDARD: Wie wirkt sich der Klimawandel auf sie aus?

Steiner: Es ist überall dasselbe: Wenn es wärmer wird, dann verdunstet mehr Wasser und das verschlechtert die Bedingungen für Feuchtgebiete. Wenn es trocken ist, dann wird das Pflanzenmaterial an der Luft zersetzt und verwandelt sich in CO2 und Mineralstoffe. Wenn genug Wasser da ist, kommt der Sauerstoff nicht mehr an das abgefallene Pflanzenmaterial heran, es bleibt erhalten und der Kohlenstoff entweicht nicht mehr, sondern wird zu Torf. Torf ist nichts anderes als eine Kohlevorstufe. Deswegen kann man es als Brennmaterial verwendet. Hochmoore, die in Österreich vorkommen und die vom Regenwasser versorgt werden, haben Torftiefen von zehn, zwölf Metern. Es ist eine erhebliche Menge an Kohlenstoff, die in Mooren gespeichert ist - ein Drittel des gesamten in Böden gespeicherten Kohlenstoffes. Wenn ich sie entwässere, entsteht CO2 daraus, das bekanntlich ein Treibhausgas ist. Das hat bei den relativ kleinen Flächen bei uns nicht die gleiche Auswirkung wie zum Beispiel in Kanada.

STANDARD: Das heißt, dass Moore zu einer Bedrohung werden könnten?

Steiner: Das Moor ist natürlicherweise eine Kohlenstoffsenke und wenn man es entwässert ist es ein Kohlenstofflieferant. Ein natürlicher Klimawandel geht nicht so schnell. Da gibt es ein langsames Angleichen. Wenn es hingegen schnell geht wie jetzt, dann ist es meistens so, dass die Umwelt keine Antwort produzieren kann, weil sie keine Zeit hat. Die Zerstörungen gehen schneller. Das Klima selbst ist nicht die Gefahr, sondern die Land- und Forstwirtschaft. Und leider werden Moore noch immer entwässert. Damit schafft man ständig Nachschub an Kohlenstoff.

STANDARD: Das sind also die Einflüsse, die direkt vom Menschen kommen. Was passiert aber im Zuge der globalen Erwärmung?

Steiner: Wenn man sich die Situation in Westsibirien anschaut, ist das so: Diese Torfe sind nicht nur Kohlenstoffspeicher, sondern sie isolieren auch sehr gut - deswegen werden sie zum Beispiel in Heilpackungen bei Rheumatismus eingesetzt. Im Süden kann sich durch die Isolationswirkung und wenn einmal ein Sommer nicht so warm ist, Permafrost bilden. Es entsteht also Eis unter dem Torf, weil darunter Wasser ist. Die natürliche Permafrostzone liegt eigentlich viel weiter nördlich. Durch die Moore wird der Permafrost nach Süden gezogen. Wenn es wärmer wird, und der Permafrost auftaut, führt das zu einer radikalen Umwandlung der Verhältnisse, denn auf einmal sind es keine Moore, sondern Seen und da geschieht etwas, was gefährlich ist: Es entwickelt sich Methan, auch ein gefährliches Treibhausgas. Das Abschmelzen von Permafrost ist schon als Folge des Klimawandels zu beobachten. Von der Zerstörung der Moore geht auch eine Gefährdung des Weltklimas aus.

STANDARD: Wie wirken sich die prognostizierten und teilweise eingetretenen extremen Niederschläge und extremen Trockenheiten auf das Moor aus?

Steiner: Das auf permanente Durchfeuchtung eingestellte System wird mehr und mehr mit Trockenperioden konfrontiert. Die Torfmoore halten sich im allerbesten Fall zwei Monate in der Trockenheit. Aber sie sterben ab, wenn sie länger andauert, und damit ist auch ihre Wirkung weg, nämlich dass sie Torf aufbauen. Dann nützen auch die Starkregen nicht mehr. Das Kapillarsystem, das Wasser speichert, geht zugrunde, und das Regenwasser kann nicht mehr aufgenommen werden. (Marijana Miljkovic/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26. 6. 2007)