Welche Möglichkeiten der Technik-Doktorhut für Frauen eröffnet, fragten drei Studien.
Grafik: Der Standard
Die StudienautorInnen gingen über bekannte Befunde hinaus und fragten zum Beispiel nach den Gründen für den Weg in die Selbstständigkeit. Von Julia Harlfinger.

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"Es gibt zahlreiche Untersuchungen über die Karrierewege von Universitätsprofessorinnen. Doch das ist nur ein kleiner Teil der Akademikerinnen. Wohin gehen die all die anderen? Wo ist das Humanpotenzial?", grübelt die Susanne Schelepa, Sozialwissenschafterin aus Wien. Ihr Team von L&R Sozialforschung hat, beauftragt durch die FFG (Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft), eine von drei aktuellen Studien über die vielfältigen Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen im naturwissenschaftlich-technischen Arbeitsfeld verfasst.

Studienauftraggeberin Gabriele Gerhardter wollte mehr über die Berufswege von hoch qualifizierten Frauen erfahren: "Bislang fehlt ein realistisches Bild zum Arbeitsfeld Forschung und Technologie", kritisiert die Leiterin des Programms w-fFORTE (Wirtschaftsimpulse für Frauen in Forschung und Technologie) des Wirtschaftsministeriums. Das führe zu Nachwuchsproblemen, denn Frauen fühlen sich von den eindimensionalen und stereotypen Karriereoptionen nicht angesprochen. Nach wie vor entscheiden sich nicht genug Frauen für eine Ausbildung und Karriere im Bereich Naturwissenschaften und Technik. "Erschreckend wenige" Frauen, so Bente Knoll vom Technischen Büro Knoll Szalai in ihrer Studie ("Meinen eigenen Weg gehen. Situation von selbständigen Ingenieurinnen in Österreich"), arbeiten in Österreich als selbstständige Ingenieurinnen. Von den rund 10.000 aktiven Ingenieuren sind nicht einmal 1000 Personen weiblich - die Mehrzahl sind Architektinnen oder leiten ein Technisches Büro, z. B. für Vermessungswesen, Landschaftsplanung oder Elektrotechnik.

Warum wagten sie den Schritt in die Selbstständigkeit, obwohl entsprechende Berufsbilder und "Role-Models" durch Schulen, Universitäten und Berufsverbände kaum vermittelt werden? Hinter der Unternehmensgründung steht oft der Wunsch, unter eigenem Namen zu arbeiten.

Auch Unzufriedenheit mit den Anstellungsverhältnissen gehört zu den häufigsten Gründungsmotiven. "In peripheren Regionen gibt es kaum Arbeitsplätze für technisch hochqualifizierte Frauen, die keine langen Strecken pendeln wollen", fügt Landschaftsplanerin und Genderexpertin Knoll hinzu. Gemeinsam mit ihrem Team wertete sie 220 detaillierte Fragenbögen aus und führte vertiefende Interviews.

Für ihre Freiheit nehmen die selbstständigen Ingenieurinnen in Kauf, die Gründung mit eigenem Kapital zu bestreiten und allein für das Einzelunternehmen zu haften. Bei rund der Hälfte der Ingenieurinnen liegt der Jahresumsatz unter 50.000 Euro; ca. 45 Prozent machen einen Gewinn von weniger als 10.000 Euro.

Viele haben zusätzliche Einkünfte aus unselbstständiger Tätigkeit oder werden durch Partner und Familie finanziell unterstützt. Die Hälfte der Selbstständigen arbeitet über vierzig Stunden pro Woche. Auch wenn zuweilen ein hoher Preis - niedriges Einkommen, wenig Raum für das Privatleben, hohe Verantwortung für den Betrieb - zu zahlen ist, sind die eigenverantwortlichen, gut ausgebildeten Frauen erstaunlich zufrieden. Inwiefern die Gründungsmotive und Karriereverläufe der selbstständigen Ingenieurinnen "typisch weiblich" sind, können die Studienautorinnen vorerst nicht beurteilen.

Familiäre Letztverantwortung Frauensache

Deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede in der Job-Biografie konnte Susanne Schelepa feststellen - das Team von L&R Sozialforschung untersuchte für die sozialwissenschaftliche Studie "Karrieretypen im naturwissenschaftlich-technischen Arbeitsfeld" biografische Daten von 7200 weiblichen und männlichen AkademikerInnen - nicht nur aus universitärer und außeruniversitärer Forschung, sondern auch aus Verwaltung und Politik, Vereinen, Non-Profit-Einrichtungen sowie privatwirtschaftlichen Betrieben. Eines der aktuellen Ergebnisse: Familiäre Letztverantwortung ist auch bei hochqualifizierten Paaren nach wie vor zumeist Frauensache, zum Beispiel hinsichtlich Kinderkarenz. Ob dieser vorübergehende Ausstieg aus dem Erwerbsleben als Bruch und Hindernis für die berufliche Entfaltung erlebt wird, hängt von der persönlichen Erwartungshaltung, aber auch von vielen äußeren Faktoren ab. "Wenn die Männer in Karenz gehen, dann verfügen sie viel häufiger über ein Zusatzeinkommen als Frauen", so Schelepa, "denn es gelingt ihnen wesentlich besser, in die Arbeitswelt eingebunden zu bleiben."

Keine Projektleitung

Viel zu selten würde vonseiten der Unternehmen versucht, Mitarbeiterinnen mit Kinderbetreuungspflichten durch verantwortungsvolle Teilzeitarbeit bei der Stange zu halten. Sozialwissenschafterin Schelepa: "Akademikerinnen erzählten, dass sie seit der Teilzeit keine Projektleitung oder Führungstätigkeiten mehr bekommen".

Gleichzeitig haben forschende Frauen einen höheren Vernetzungsgrad als Männer und beteiligen sich häufiger an interdisziplinären Projekten. Diese beiden Annahmen konnten Harald Katzmair und seine Mitarbeiter (FAS.research) in der Analyse "Netzwerke der Wissensproduktion in der kooperativen Forschung" bestätigen. Weitere Ergebnisse dieser Studie sind freilich noch nicht bekannt. "Gerade diese Brückenfunktion ist forschungs- und innovationspolitisch interessant", hebt Gabriele Gerhardter hervor. An Ein-, Um-, Aus- und Wiedereinstiegsszenarien für die Job-Patchworkerinnen fehlt es jedoch. Die erstgenannten Studien stehen auf www.w-fforte.at zum Download bereit.(DER STANDARD, Printausgabe 27.06.2007)