Wenn Tony Blair in diesem Monat endlich das Amt des Premierministers übergibt, nachdem er seinen Rücktritt nahezu töricht lang hinausgezögert hat, wird nicht nur die britische Öffentlichkeit insgesamt erleichtert sein, sondern auch die überwiegende Mehrheit seiner eigenen Parteimitglieder. Nach drei Amtszeiten könnte es kaum anders sein. Ungeachtet des Klischees korrumpiert Macht tatsächlich, und die späte Ära Blair bot, wie auch die Margaret Thatchers davor, keinen schönen Anblick.

Das Paradox ist, dass bei einem Mann, der so lange so viel Macht ausgeübt hat, unklar ist, welches innenpolitische Erbe er hinterlassen wird. Der Blairismus war eine Laune, ein Stil, aber im Wesentlichen hat er keinen radikalen Bruch mit dem Vermächtnis Thatchers dargestellt, das New Labour so clever neu verpackt, jedoch menschlicher verwaltet hat.

Die Außenpolitik steht allerdings auf einem anderen Blatt. Egal was man von ihm halten mag, in internationalen Angelegenheiten war Blair ein konsequenter Politiker und Verfechter der Doktrin der "humanitären Intervention". Diese Idee hat die moralische Begründung für die größten westlichen Militärinterventionen seit dem Kalten Krieg geliefert, von Bosnien bis zum Irak.

Zumal sich die Invasion im Irak als derart katastrophal erwiesen hat, ist es schwer, sich überhaupt noch daran zu erinnern, wann Interventionen aus moralischen Gründen in internationalen Angelegenheiten als Fortschritt angesehen wurden - ob nun, wie in den Balkankriegen, einem Diktator das Handwerk gelegt werden, oder, wie im Fall der britischen Intervention in Sierra Leone, anarchische Grausamkeit beendet werden sollte.

Heutzutage ist der Begriff Intervention für viele, die einmal daran geglaubt haben, zu einem Schimpfwort geworden. Nur die amerikanischen Neokonservativen, die verständlicherweise dankbar für Blairs Irak-Engagement waren und für seine Fähigkeit, zusammenhängend und wortgewandt eben dafür zu argumentieren (im Gegensatz zu Präsident Bush, der zu beidem unfähig ist), bedauern es, Blair gehen zu sehen. Doch wird darüber vergessen, wie viele politisch anders Orientierte ebenfalls an die "humanitäre Intervention" geglaubt hatten.

Blair tut es immer noch. In einem Interview beschrieb er kürzlich den Kern seiner Außenpolitik mit den beiden Worten "liberaler Interventionismus". Unter Umständen hat sich die Welt ja weiterbewegt, ernüchtert von der Erkenntnis, dass diejenigen, die intervenieren, genauso barbarisch sein können wie schäbige Diktatoren, selbst wenn sie im Namen der Menschenrechte eingreifen. Doch Blair, so scheint es, bewegt sich nicht von der Stelle. Was in Bezug auf Thatcher zum geflügelten Wort wurde, "The lady's not for turning" (Die Dame ist nicht umzustimmen), kann man auch über ihn sagen.

Gerechterweise muss man Blair allerdings zugute halten, dass es sich dabei nicht um reinen Starrsinn handelt, wie es bei Bush und seinen aktuellen und ehemaligen Lakaien Donald Rumsfeld, Paul Wolfowitz und Vizepräsident Dick Cheney der Fall zu sein scheint. Für Blair bilden die Interventionen im Kosovo und im Irak eine moralische Einheit. Beide sind Beispiele für die postwestfälische Vorstellung, dass mächtige Staaten dazu aufgerufen sind, leidende Bevölkerungsgruppen weltweit zu verteidigen, auch mit militärischen Mitteln.

Auf den Vorwurf, dass diese Vorstellung im Grunde altmodischer, liberaler Imperialismus sei, der für die Welt nach dem Kalten Krieg aktualisiert wurde, hat Blair stets erwidert, dass die von ihm geforderten Kriege im Kosovo, in Sierra Leone und im Irak für "Werte und nicht für Interessen" geführt wurden. In gereizteren Momenten stellte er die Frage, warum so viele von denen, die nichts dagegen hatten, dass die Nato Milosevic bekämpfte, sich eisern gegen die Absetzung Saddam Husseins aussprachen.

Bequemer Vorwand

Die Antwort darauf ist eigentlich ganz einfach. Blairs Traumbild von Kriegen für Werte statt für Interessen erscheint immer mehr wie ein bequemer moralischer Vorwand - er ähnelt dem Anführen von Menschenrechten durch die Regierungen reicher Länder, um ihre Vorherrschaft in Institutionen wie der Weltbank und dem IWF zu rechtfertigen. Selbstverständlich sieht Blair sich selbst nicht als neuen Imperialisten. Im Gegenteil, er hat häufig deutlich gemacht, dass er seine Kritiker für unmoralisch hält, weil sie liberale Interventionen nicht unterstützen. Doch auch die Kolonialisten aus dem 19. Jahrhundert hielten sich selbst nicht für unmoralisch.

Ohne Zweifel werden wir mehr über Blairs Rechtfertigungen für seine Taten erfahren und weitere Ausführungen über sein interventionistisches Credo hören, wenn er auf Vortragsreisen geht und zu gegebener Zeit seine Memoiren veröffentlicht. Das Mitleid erregende an seiner Situation ist jedoch, dass niemand mehr zuhört. Blair ist der letzte Interventionist. Weder sein Nachfolger Gordon Brown noch George W. Bushs Nachfolger, wer auch immer das sein wird, werden in der Lage sein, eine weitere Intervention wie die im Kosovo oder gar die im Irak durchzuführen.

Diejenigen, die auf eine Militärintervention in Darfur drängen, würden dies wahrscheinlich bedauern. Doch während sie über die Untätigkeit des Westens wettern, sollten sie sich daran erinnern, warum derartige Schritte unmöglich sind. Indem Tony Blair den liberalen Interventionismus ins Zentrum seiner Außenpolitik rückte, hat er ihn zu einem gefährlichen Thema gemacht - ein politischer Blindgänger für mindestens eine Generation.

*****

David Rieff ist Autor von politischen Analysen und zahlreichen Sachbüchern. Zuletzt erschien von ihm "At the Point of a Gun: Democratic Dreams and Armed Intervention". © Project Syndicate, 2007. Aus dem Englischen von Anke Püttmann