Wer braucht schon Farbe? Erst recht, wenn der Hund "Pinsel" heißt - und schwarz-weiß ist

Foto: STANDARD/ Starl
Die Reviere sind längst gut markiert. Es gibt nur zwei Sorten von Menschen: Solche mit Hund, also echte Tierfreunde, und das Gegenteil. Schließlich würde das Abrücken von diesem Schwarz-Weiß-Bild das Leben nur unnötig kompliziert machen. Gerade in der Großstadt. Und egal ob mit oder ohne Hund - Von Thomas Rottenberg

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Natürlich haben all diese hundelosen Tierschützer vollkommen recht. Denn Hunde gehören ja wirklich nicht in die Stadt. Und schon gar nicht in jenen Teil, der in den Immobilienteilen der Zeitungen dann immer als "zentrale Lage" umschreiben wird: Ein Hund, wissen sogar Menschen, die keinen haben, braucht nämlich frische, saubere Luft. Er braucht üppig Auslauf. Er braucht den Geruch von Wiese und Wald, von Blumen und Tieren.

Und vor allem, wissen die Menschen, die mit Hunden nur dann zu tun haben, wenn sie in deren Hinterlassenschaften treten, braucht ein Hund andere Hunde. Um zwischen uns großen Zweibeinern nicht durchzudrehen. Um nicht zum psychotischen Wrack zu werden, das zuerst die ganze Nacht lang durchkläfft und dann, irgendwann, aggressiv wird. Und eventuell ein Kind beißt. Im schlimmsten Fall, sagen die hundlosen Hundeschützer, und schauen besorgt in den Kinderwagen, ihr eigenes.

Natürlich haben diese Leute mit jedem Wort recht. Das wissen sie auch. Aber genauso gut wissen sie, dass all das (abgesehen von "der beißt" und vom In-die-Kacke-steigen-Elend) auch für ihre Kinder gilt: Auch die gehören nicht in die "zentrale Lage". Wegen Luft und Grün und Auslauf und so weiter. Und konsequent gesehen gehören ja auch Eltern und andere Erwachsene nicht in die Stadt. Aus eben jenen Gründen, die dem urbanen Hundehalter geradezu wollüstig um die Ohren geschnalzt werden.

Rechtschaffen gaga

Nur: Sagen Sie das einmal einem, der Sie gerade darüber belehrt, dass der Köter, der da nach seinem täglichen zweieinhalbstündigen Austob-Trip in den Prater, in den Wienerwald, in die Lobau oder sonst wohin, rechtschaffen gaga im Schanigarten unter ihrem Tisch neben der Wasserschüssel döst, eine leidende, gequälte, geknechtete und absolut den Bedürfnissen und Wünschen der Art zuwiderlaufend behandelte Kreatur ist. Ehrlich: Es ist sinnlos. Absolut sinnlos. Weil es in Hundefragen nämlich nur eine einzige Wahrheit gibt. Und das ist natürlich immer genau jene, die sich jeder über die Jahre hinweg selbst zurecht gelegt hat.

Nicht, dass das sonst wo im Leben anders wäre. Aber in der Causa Canis kommt da halt noch dazu, dass die Fronten offensichtlicher sind als in anderen urbanen Konfliktzonen: Ob der Mann am Nachbartisch raucht (vielleicht ja sogar Zigarre), merkt man halt erst, wenn sich der Nachbar just dann eine anheizt, wenn das eigene Essen kommt. Aber der Hund ist sofort zu sehen.

Und in einer Stadt wie Wien gehört man damit automatisch Teil einer echten Schicksalgemeinschaft an. Auch - und gerade - in der Wahrnehmung vieler Auch-Hundebesitzer. Und oft genug erwarten die von anderen Hundehaltern eine Nibelungentreue in allen Hundeanliegen: "Kein Fußbreit den Hundehassern", lautet das Motto - und zwar auch dann, wenn die gar keine Hasser sind, sondern die normalsten Dinge der Welt verlangen.

Beißkorb

Denn wenn ein Nicht-Hundebesitzer motzt, dass die Töle in der engen, vollen U-Bahn gefälligst einen Beißkorb tragen solle, beweist das schließlich nur, dass dieser blöde Mensch keine Ahnung von Hunden hat. So einen kann man getrost ignorieren. So wie das Hundeverbotsschild beim Kinderspielplatz: "Der beißt eh nicht. Der will nur spielen."

Aber von einem, der selbst einen Köter am Strick führt, zu hören, dass es wirklich nicht ok ist, einer Mutter, die es nicht lustig findet, wenn eine fremde Doggenschnauze in den Kinderwagen sabbert, "der tut eh nix" zuzurufen, ist etwas anderes: Verrat nämlich.

Derlei lässt sich aber auch steigern. Etwa durch jenes empörte "Schämen sollten Sie sich! Lassen Sie das liegen! Gibt es denn gar keine Solidarität mehr?", mit dem eine Hofratswitwe mit Schoßhündchen in der City versucht, das von Gott, Krone und Michael Häupl garantierte Recht auf freies Defäzieren (von Hunden - Gott und die Polizei mögen uns vor jener Mutter bewahren, die ihren Zweijährigen zum Kacken über ein Kanalgitter hält!) zu schützen. Obwohl die Dame vermutlich nicht weiß, dass da nurmehr echt drastische Mittel fruchten. Aber um die kümmern sich ohnehin andere. Etwa wie jener Margaretner Kampfhundhalter, den der Anblick von Gackerl-Sackerl-Benutzern zur Weißglut bringt: "Wenn ich noch einmal sehe, wie einer von euch die Scheiße wegräumt, knallt es!"

Fronten weichen auf?

Aber trotzdem: Es tut sich was. Die Fronten beginnen aufzuweichen. Sich zu verschieben. Wobei es gerade für Besucher aus nicht ganz so vollgekackten Städten wie Wien bizarr klingt, wenn Passanten sich "ganz ganz herzlich" dafür bedanken, dass Hundehalter mittlerweile verstärkt - also hin und wieder - bei dem zu sehen sind, was sie eigentlich seit jeher tun müssten. Noch seltsamer wirkt es, wenn darauf der Mann im Lodenmantel, der da mit der Hand im umgekrempelten Sackerl das Geschäft seines Hundes einsammelt, anmerkt: "Anstatt mir zu danken, sollten Sie lieber laut fordern, dass liegen lassen endlich bestraft wird."

Aber im Großen und Ganzen sind die Fronten dennoch immer noch klar. Und zwischen ihnen zermalmt wird, wer versucht, zwischen Schwarz und Weiß Grautöne zu sehen. Oder gar Farbe: Differenzieren macht das Leben nur kompliziert - und wenn man damit bei Hunden in der Stadt beginnt, könnte das auch andere einfache Wahrheiten infrage stellen.

Darum bleibt alles wie es ist: Wer einen Hund hat, ist ein Tierfreund. Wer keinen hat das Gegenteil. Und wer je an einer öffentlichen Diskussion über Hunde in der Stadt teilgenommen hat, kann immer noch von Veranstaltung zu Veranstaltung ziehenden Blöcken von Diskutanten erzählen, die einander gar nicht zuhören müssen, um zu wissen, wann sie wen niederbrüllen müssen.

Und das soll auch gar nicht anders sein: Vor mehreren Jahren lud die zuständige Stadträtin zum Symposium. Thema: "Hunde in der Stadt". Knapp vor Beginn bat die Tierecken-Betreuerin der Krone die Politik dann zum Briefing: Man werde hier und heute wohl über vieles reden - aber "Hundekacke" sei ganz bestimmt kein Thema. Das Coverfoto (mit Hund) werde im Übrigen erst nach der Diskussion gemacht. Am Podium war man sich dann einig: Wien ist eine Stadt, in der sich Hunde wohlfühlen können, sollen und dürfen.

Und viel mehr gibt es dazu seither auch nicht zu sagen. (Thomas Rottenberg/DER STANDARD Printausgabe 28.6.2007)