Straßburg - Der UN-Flüchtlingskommissar Antonio Guterres hat am Mittwoch die Europäer aufgerufen, den verbleibenden Zehntausenden Flüchtlingen und Vertriebenen auf dem Balkan bei einer dauerhaften Lösung zu helfen. Dazu sei eher politische als humanitäre Entschlossenheit nötig, sagte Guterres in Straßburg vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarates.

Das Schicksal der immer noch mehr als 500.000 Flüchtlinge und Vertriebenen am Balkan droht in Vergessenheit zu geraten. 12 Jahre nach dem Ende der militärischen Konflikte in Bosnien-Herzegowina sowie in Kroatien als Folge des Auseinanderbrechens des früheren Jugoslawien und acht Jahre nach dem Krieg im Kosovo befinden sich in der Region immer noch viele Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten.

Vernachlässigten Sammelzentren

Viele leben nach wie vor in vernachlässigten Sammelzentren. Da es an ausreichenden finanziellen Mitteln und humanitärer Hilfe fehlt, gilt ihre Lage als kritisch. Die Parlamentarier betonen deshalb die Notwendigkeit, die Voraussetzungen entweder für die dauerhafte Rückkehr der Flüchtlinge zu schaffen, oder aber die örtliche Integration in dem Aufnahmegebiet zu schaffen, indem Sozialversicherungs- und Pensionsansprüche übertragen werden, beschädigtes Eigentum wiederaufgebaut, Ersatzwohnungen errichtet, Ansprüche auf Wiederinbesitznahme vollstreckt oder dass sie angemessene Entschädigungen erhalten.

Lage der Langzeitflüchtlinge

Vom Europarat wurden die Zahlen veröffentlicht. Sie sind Grundlage über die Lage der Langzeitflüchtlinge in Südosteuropa. 120.000 Flüchtlinge und 383.000 Binnenvertriebene. In Kroatien hat sich die Lage mit nur noch 2.500 Flüchtlingen und 4.000 Vertriebenen wieder weitgehend normalisiert. Dabei handelt es sich um die am stärksten gefährdeten Personen, darunter alte Menschen, traumatisierte Überlebende von Massakern, Kranke und Behinderte, allein erziehende Mütter, Angehörige nationale Minderheiten oder auf Zeugenschutz angewiesene Personen.

Rückkehr Zehntausender sudanesischer Kriegsflüchtlinge

"Die Staaten der Region brauchen die Unterstützung der diplomatischen Gemeinschaft." Europa müsse auch dabei mit einer Stimme sprechen, auch in der schwierigen Kosovofrage. Unter Hinweis auf die Rückkehr Zehntausender sudanesischer Kriegsflüchtlinge fügte er hinzu: "Keine Familie kehrt deshalb heim, weil wir unsere Hilfe anbieten. Sie gehen heim, wenn die Rückkehr möglich gemacht wird."

10.000 Flüchtlinge in Bosnien-Herzegowina

In Bosnien-Herzegowina leben auf Grund der Teilung des Landes in die Republika Srpska und die bosniakisch-kroatische Föderation nach jüngsten Erhebungen noch 10.000 Flüchtlinge und 135.000 Binnenvertriebene. Serbien nennt mit knapp 100.000 Flüchtlingen und 207.000 Vertriebenen die höchsten Zahlen an entwurzelten Menschen.

Freiwillige Rückkehr soll ermöglicht werden

An die Nachfolgestaaten des früheren Jugoslawien wird appelliert, den Zugang von Flüchtlingen, Binnenvertriebenen und Rückkehrern zu Informationen über ihre Rechte nach dem inländischen Recht zu erleichtern und diese in vollem Umfang zu unterstützen. Dazu gehören Finanzhilfe, kostenlose Rechtshilfe und Unterstützung durch Ombudsleute und lokale Nichtregierungsorganisationen. Mit der Durchführung von Verwaltungs-, Justiz- und Polizeireformen sollte eine gesicherte freiwillige Rückkehr ermöglicht und die örtliche Eingliederung erleichtert werden.

Europarat-Mitgliedstaaten sollen Rückkehr erleichtern

Die Mitgliedstaaten des Europarats sollten ihrerseits den Prozess der freiwilligen Rückkehr und der lokalen Integration weiterhin durch Finanzhilfe und sachverständige Unterstützung fördern. Auf die Abschiebung abgelehnter Asylsuchender aus dem Kosovo soll solange verzichtet werden, wie die Bedingungen für ihre sichere und menschenwürdige Rückkehr möglichst auf freiwilliger Basis nicht gegeben sind.

Vor diesem Hintergrund forderte die Parlamentarische Versammlung des Europarats die Regierungen auf, notwendige Finanzmittel für dieses Projekt bereitstellen. Ein wesentliches Integrationshindernis liege oft in der Schwierigkeit der Rückkehrer ein Wohnrecht zu erhalten. Die Versammlung ist besorgt, dass der gesetzliche Rahmen, wie er in den meisten Ländern der Region gilt, der besonderen Gefährdungslage von Flüchtlingen, Rückkehrern und Binnenvertriebenen nicht gerecht wird.(APA)