Bild nicht mehr verfügbar.

Auch beim Fußball ist Bestrafung von unfairem Verhalten wichtig - und ebenso: freiwilliges Mitspielen.

Foto: REUTERS/Miguel Vidal
Wien/Washington - Soll noch einer sagen, dass sich die Mathematik nur mit abstrakten Formeln beschäftigt. Mathematiker aus Wien und Harvard gingen in ihren jüngsten Forschungen einer handfesten Frage nach: Wann sind Menschen bereit, Ausbeuter in einem System zu bestrafen - selbst wenn die Strafe etwas kostet? Nur wenn die Beteiligung freiwillig abläuft, lautet das einfache Ergebnis der komplexen Berechnungen.

"Ein paradoxes Ergebnis", meint der Mathematiker Karl Sigmund von der Universität Wien, der gemeinsam mit Hannelore Brandt von der Wirtschaftsuniversität Wien (WU) und einem Team um den österreichischen Harvard-Professor Martin Nowak auf Basis von Computermodellen die Studie dazu in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts Science veröffentlicht hat.

Beispiele

Sigmund nennt aus dem Alltag bekannte Beispiele, um die Ergebnisse der mit 100 "künstlichen" Personen am PC durchgeführte Studie zu verdeutlichen: "Es gibt öffentliche Güter wie etwa unser Klima, die jedem zugute kommen. Aber es gibt auch solche, die man nicht in Anspruch nehmen muss. Wir sind nicht verpflichtet, U-Bahn zu fahren. Wer aber U-Bahn fährt und keinen Fahrschein kauft, wird bestraft."

Besonders interessant erscheint ihm aber, dass jene, die U-Bahn fahren und einen Fahrschein lösen, bereit sind, für die Bestrafung der Schwarzfahrer einen Beitrag zu leisten. Sie sind sauer, dass "Trittbrettfahrer", wie sie Sigmund nennt, auf ihre Kosten gratis fahren. Wenn es aber keine Alternativen gibt, so ist die Bereitschaft zur Bestrafung der Missetäter geringer, und daher sind viele bereit, das System zu hintergehen und auf Kosten derer, die zahlen, die Vorteile zu genießen.

Experimente

Die Frage des Umgangs mit unkooperativen Verhalten in einer Gemeinschaft ist nicht neu. Die Mathematiker beziehen sich unter anderem auf Experimente, die der österreichische Ökonom Ernst Fehr (Universität Zürich) durchführte: Dabei erhielten sechs Studenten jeweils eine bestimmte Summe Geldes, von der sie einen Teil in einen gemeinsamen Topf legen konnten. Der Versuchsleiter verdreifachte die Summe im Topf und teilte sie dann gleichmäßig auf die sechs Spieler auf. Wer zahlte, riskierte, dass andere nicht einzahlen, und trotzdem Anteile des gemeinsamen Geldes erhalten. Zunächst belief sich der durchschnittliche Einsatz auf 40 bis 60 Prozent; je öfter das Experiment wiederholt wurde, desto weniger wurde eingezahlt.

In einem weiteren Experiment wurden daher alle Teilnehmer über die Summe informiert, die die anderen einzahlten. Für eigennütziges Verhalten konnten Bestrafungen ausgesprochen werden, die aber selbst etwas kosteten. Das Ergebnis: Die Teilnehmer bestraften trotzdem gerne, Kooperation trat wieder häufiger au, und die Beiträge für die gemeinsame Kassa gingen wieder hinauf.

Für Sigmund ist die Erkenntnis, dass freiwilliges Mitspielen die Voraussetzung für Bestrafung ist, eine Fortsetzung bisheriger Arbeiten, in denen er mit Kollegen das Kooperationsverhalten in der Evolution analysiert hat. Und diese Erkenntnis sei auch anwendbar, so Sigmund. Vor allem im E-Commerce.

Das Online-Auktionshaus eBay zum Beispiel habe dank des Systems von Lob bzw. Tadel für kooperatives bzw. eigennütziges Verhalten einen guten Ruf erworben. Die Geschäftspartner bewerten einander. Wer schlecht bewertet wird, findet keine Partner mehr. (Peter Illetschko, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29. Juni 2007)