Die Ausgangslage ist verführerisch: Die österreichische Wirtschaft wächst, die Beschäftigungsquote steigt beständig, die Inflation bleibt brav unter der magischen Zwei-Prozent-Marke. Wohl gibt es insbesondere im "Leitbetrieb" USA einige Indikatoren, die darauf hinweisen, dass die fetten Jahre zumindest vorübergehend etwas magereren weichen werden, Hinweise auf einen Abschwung und damit Anlass zur Sorge über die Konjunkturentwicklung in Europa können die Wirtschaftsforscher derzeit aber nicht ausmachen.

Wenn die Steuereinnahmen sprudeln, wie zuletzt in den Boomjahren Anfang der Neunzigerjahre, dann weckt das natürlich Begehrlichkeiten bei Politikern und Interessenvertretern. Steuerzuckerl verteilen, obwohl gar keine Wahl ansteht, das ist wahrlich lustiger als die Mühen der Ebene des Pflegegelds oder der Pensionsversicherungsdefizite. Die Fantasie der Volksvertreter ist, was das Ausgeben der von den Steuerzahlern hart verdienten Moneten betrifft, bekanntlich nahezu grenzenlos: Die einen fordern die Senkung des Spitzensteuersatzes, die anderen die Abschaffung von "Bagatellsteuern", wie Erbschafts- und Schenkungssteuer, wieder andere drängen generell auf Entlastung des Mittelstands. Abgesehen davon, dass die Regierungsparteien wohl gnädig die Abschaffung diverser Steuern predigen, unter dem Deckmantel des Klimaschutzes aber soeben Massensteuern wie die Mineralölsteuer per Handstreich kräftig erhöht haben: Es gibt in den Staatskassen nichts, das gönnerhaft verschenkt werden könnte. Erstens ist das Budgetdefizit in guten Zeiten zu senken, um in schlechten Zeiten Konjunkturimpulse geben zu können. Das ist so abgemacht im EU-Stabilitätspakt und erspart Sparpakete, die nach der nächsten Wahl wie das Amen im Gebet kommen.

Zweitens gibt es Hausaufgaben, die tunlichst gemacht werden sollten. Die Entlastung des Faktors Arbeit zum Beispiel. Sie ist dringend notwendig, weist die Konjunktur doch eine bemerkenswerte Schieflage auf: Leistungsbilanz und Warenexporte sind exzellent und weisen Milliardenüberschüsse aus, was ein gutes Zeugnis für die Wettbewerbsfähigkeit österreichischer Betriebe darstellt. Die Inlandsnachfrage hingegen ist trotz Hochkonjunktur nach wie vor schwach – auch, weil die Kaufkraft von der Lohnsteuer aufgefressen wird. Diese Verringerung der Belastungen der Einkommen, ein Dauerbrenner übrigens, muss in einer Zangenbewegung erfolgen. Einerseits über die Sozialversicherungsbeträge und natürlich auch über einen niedrigeren Eingangssteuersatz, sonst profitieren Niedriglohnbezieher nicht. Bleibt ihnen am Monatsende aber mehr in der Brieftasche, geht das Geld direkt in den Konsum. Ohne zusätzliche Vermögenseinkünfte ist es in den privaten Haushalten klamm geworden, daher wird auch die Rückkehr zu einer produktivitätsorientierten Lohnpolitik zu diskutieren sein. Schließlich läuft der Konjunkturmotor nicht ewig so rund und vom Export allein wird Österreich als viert-reichstes EU-Land auf Dauer wohl nicht leben können. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28.6.2007)