Fullbright macht seit 1946 das, was heute "in" ist. Studentenaustausch.

Foto: Fulbright Commission
STANDARD: Fulbright macht das, was heute groß in Mode ist, schon lange. Die Austauschprogramme gibt es schon seit den 1940er-Jahren.

Lonnie Johnson: Wir sind die Großmutter aller Austauschprogramme. Das Programm wurde 1946 vom US-Senator Fulbright ins Leben gerufen, der als junger Mann in Oxford/England war. Er hatte Auslandserfahrung zu einem Zeitpunkt als das sehr unüblich war. Er stand auch sehr unter dem Eindruck von Hiroshima. Sein Ansatz war die Völkerverständigung. Das war in vielerlei Hinsicht so wichtig wie der Marshall-Plan. In den späten 40er-Jahren war Fulbright die einzige Möglichkeit rauszukommen.

STANDARD: Wie viele Österreicher hat Fulbright verschickt?

Lonnie Johnson: Bis heute rund 3400 Österreicher. Weltweit sind es bis heute etwa 280.000 Ful-bright-Stipendiaten.

STANDARD: Heute ist Fulbright eine Möglichkeit von vielen.

Lonnie Johnson: In den 1940ern hatten wir eine Monopolstellung. Heute gibt es alleine in den USA über eine halbe Million Studierende von außerhalb, weniger als ein Prozent sind Fulbright-Studenten. Vor 50 Jahren gab es eine Hand voll, und fast alle waren Fulbright-Studenten.

STANDARD: Ist der Fulbright’sche Gedanke der Völkerverständigung heute noch wichtig?

Lonnie Johnson: Er ist wichtiger denn je. Wir glauben in dieser globalen Welt des Konsum- und Medienkapitalismus alles zu kennen, ohne etwas wirklich erlebt zu haben. Aber es gibt auch zwischen Europa und den USA tief liegende kulturelle Unterschiede, die man erleben muss. Und: Wenn man sich die globale Wahrnehmung seit 9/11 anschaut, wie Amerikaner die Welt sehen und wie die Welt Amerika sieht, ist der Austausch wichtiger denn je. Die Mobilität, ins Ausland zu gehen, hilft, eigene Annahmen und Meinungen zu relativieren. Nehmen wir Österreich, Deutschland und Japan der Nachkriegszeit. Fulbright wollte einer jungen potenziellen Elite die USA zeigen, damit die zu Hause zum Aufbau einer Demokratie beitragen. Heute gibt es Fulbright auch für Afghanen und Iraker. Es geht uns nicht um eine Propagierung des American Way of Life, der bilaterale Gedanke steht im Vordergrund.

STANDARD: Ein Bildungskanon selbst ist national. Wird sich auch das in Richtung Globalisierung ändern?

Lonnie Johnson: Ich denke, dass ein Bildungskanon immer eine nationale Angelegenheit ist. Man braucht eine Elite, die ihn formuliert und pflegt. Darüber, wer diesen Kanon formulieren darf, wird auch in den USA viel gestritten. Es geht in dieser Debatte sehr stark um Rassen-, Gender- und Machtfragen.

STANDARD: Aber wird sich die Globalisierung durchsetzen?

Lonnie Johnson: Es ist problematisch, wenn in einem globalisierten Markt mehr Menschen Bart Simpson kennen als Sokrates, und ihn auch noch für einen wichtigen Philosophen halten. Es ist die Frage, inwiefern die Internationalisierung eine kommerzielle Nivellierung mit sich bringt.

STANDARD:Warum ist es überhaupt so enorm wichtig, ins Ausland zu gehen?

Lonnie Johnson: Internationale Erfahrung ist notwendiger denn je. Virtuelle Mobilität ist nicht genug. Das Interessante an Austauschprogrammen ist: Man lernt Dinge, die institutionell schwer vermittelbar sind, man lernt, Probleme zu lösen. Wie komme ich in dieser Situation zurecht, trotz sprachlicher Barrieren? Man lernt sich selbst besser kennen. Wenn dazu noch Fertigkeiten kommen wie Fremdsprachen oder wissenschaftliche Qualifikationen, ist das ein Bonus. Und es gibt andere Lernkulturen im Ausland: In den USA ist zum Beispiel die Bereitschaft zur Mobilität, sich zu bewegen, viel größer als hier.

STANDARD:Aber diese soziale Mobilität birgt nicht nur Vorteile in sich?

Lonnie Johnson: Die Atomisierung der Gesellschaft ist gegeben. Jeder ist frei, sich am Markt zu bewegen. Auf der Strecke bleiben: Freundschaft, Verbundenheit, Heimat, Gemeinschaft und Familie. Vielleicht auch eine Portion Identität. Man ist aber nicht gezwungen, da mitzumachen. Fulbright ist ein Austauschprogramm und kein Auswanderungsprogramm. Fulbright will, dass man ein Programm abschließt und das soziale Kapital mit nach Hause nimmt, um der Gesellschaft etwas zurückzugeben.

STANDARD: An welchem Punkt im Jahreskreislauf steht die Fulbright Commission in Österreich gerade?

Lonnie Johnson: Wir haben die Interviews mit Studenten, die 2008 nach Amerika gehen, abgeschlossen. Und die US-Stipendiaten, die 06/07 hier waren, fahren jetzt nach Hause. Beim Zurückkommen lernt man noch einmal so viel. Man wird regelrecht transformiert. Ich kann nur immer wieder sagen: Inländer raus und Ausländer rein! Das ist bildungspolitisch eine gute Strategie. (Mia Eidlhuber, DER STANDARD-Printausgabe, 30. Juni/1. Juli 2007)